68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
Darf ich es ansehen?“
„Freilich, freilich! Nicht wahr, Hans?“
„Das versteht sich ganz von selbst! Hol's schnell herbei, Vatern, schnell!“
Der alte Heiner ging hinaus in die Kammer und brachte die Zeichnung herein. Sie war mit einem dünnen Bogen bedeckt. Als der König nach demselben griff, um ihn zu entfernen, ging ein schwerer Seufzer durch die Stube:
„O Gott!“
Hans hatte ihn ausgestoßen und dabei angstvoll die Hände gefaltet. Der Augenblick war ja da, an welchem entschieden werden solle, ob er Talent besitze oder nicht. Es öffnete sich die Zukunft für ihn, aber welch eine Zukunft?
Der König hörte den leisen Ausruf des Jünglings. Sein Auge mild auf denselben richtend, tröstete er:
„Seien Sie ruhig! Wie diese Prüfung auch ausfallen möge, Ihren Krankenplatz sollen Sie hier auf jeden Fall nicht länger mehr innehalten. Und nun wollen wir getrost den Schleier lüften!“
Er schlug den Bogen zurück und ließ sein Auge prüfend auf die Zeichnung fallen. Kein Zug seines Gesichtes bewegte sich. Mit zuckenden Wimpern blickte Hans ihn an. Es wurde ihm angst, als der König nichts sagte. Der Heiner konnte es nicht aushalten. Er ging hinaus in die Kammer, sank in die Knie, erhob seinen einen Arm und betete:
„Mein lieber Herrgott, gib deinen Segen dazu; gib ihn, o gib ihn! Dann will ich alles Herzeleid vergessen, was ich tragen hab, und auch noch mehr, noch viel mehr tragen bis an mein Sterbensend!“
Dann kehrte er in die Stube zurück.
Der König hatte das Bild vom Tisch hinweggenommen. Er hielt es gegen das Licht. Noch immer sagte er kein Wort. Hans preßte auch die Lippen zusammen. Sie bebten ihm, als ob er unter einem Gesichtskrampf leide.
Endlich, endlich legte der König den Zeichenbogen wieder auf den Tisch und deckte das andere Papier darüber. Der Ernst seines Gesichts machte einem heiteren, milden Lächeln Platz. Er bemerkte die Angst, mit welcher die Blicke der beiden auf ihn gerichtet waren, und fragte:
„Das waren jetzt wohl böse Minuten?“
„Ei wohl!“ antwortete der Heiner. „Fünf Minuten sind's gewest, volle fünf Minuten! Fast hab ich's nicht aushalten könnt. Mir ist gewest, als ob ich ein Mördern sein, der auf sein Urteil warten muß. Und dem Hans wird's nicht gar viel besser gewest sein in seinem Herzen!“
„Nun, ein Todesurteil ist es glücklicherweise nicht, was ich zu fällen habe.“
„Gott sei Dank! Also wird's halt gar nicht so schlecht lauten?“
„Nein, sondern im Gegenteil sehr gut, besser wohl als Hans es erwartet hat.“
Er trat zu dem Kranken, legte diesem die Hand auf den Kopf und fuhr fort:
„Gott hat Ihnen eine Gabe verliehen, wie nur sehr wenige sie besitzen. Wenn Ihr Körper erstarkt ist, so daß Sie die Kraft besitzen, welche zu den Anstrengungen, die notwendig sind, erforderlich ist, so werden Sie bald einen Platz erobern unter denen, welche eine Zierde der Gesellschaft sind. Ich werde das meinige tun, Ihnen den Weg zu ebnen und die Anstrengungen zu erleichtern. Von heut an, von dieser Stunde an, sorge ich für Sie.“
Hans holte tief, tief Atem, als ob er dem Erstickungstod nahe sei, stieß einen lauten, schrillen Schrei aus und legte den Kopf hintenüber an die Lehne des Stuhles. Todesbleich und mit geschlossenen Augen lag er da. Er war ohnmächtig geworden.
„Hans, Hans! Mein Bub, mein lieber, einziger Bub!“ schrie der Heiner auf. „Stirb mir nicht. O mein Herrgott, stirb mir nur nicht!“
Er sprang auf ihn zu und zog den bleichen Kopf an seine Brust.
„Haben Sie keine Angst“, tröstete der König, nachdem er den Puls des Ohnmächtigen befühlt hatte. „Er lebt; es geschieht ihm nichts. Die Freude ist zu groß für seine schwache Konstitution gewesen. Er hat nur die Besinnung verloren, wird aber sehr bald wieder zu sich kommen.“
„Meinen 'S? Denken 'S das wirklich?“
„Ja, ich bin überzeugt davon.“
„Aber wann 'S sich irren! Wann er mir dennerst stirbt, grad heut, so alle Sorg und alles Elenden ein End haben soll!“
„Er stirbt nicht. Da öffnet er ja schon die Augen!“
Hans schlug die Augen auf, warf einen langen Blick in das Gesicht des Königs und schloß sie dann wieder. Über sein hageres Gesicht legte sich das Lächeln des Glückes, des Entzückens.
„O du mein lieber Gott!“ flüsterteer. „Wie herrlich das ist! Ich hör die Engel singen, und der Himmel ist offen, und alle Sonnen leuchten herab. Vater, Vater, hörst's auch?“
„Nein, Hans“, meinte Heiner. „Wach auf, wach auf! Mir
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