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80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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unwiderstehlicher Anmut, eine dunkle Schönheit inmitten der weißen Frachtsegler. Kupfer funkelte wie Schmuck in der Sonne, und einige Einheimische hatten sich davor versammelt, Arbeiter offenbar, die sich nach getaner Arbeit den Schweiß mit schmutzigen Tüchern von der Stirn wischten. Als er näher kam, sah er, wie schwer das Schiff im Wasser lag, und schloss daraus, dass es reich beladen sein musste.
    Er wusste nicht, wie lange er dort gestanden hatte, ehe ihm auffiel, dass diese Arbeiter nicht durch ihn hindurchsahen, wie er es inzwischen gewohnt war, sondern dass sie ab und zu Blicke in seine Richtung warfen! Er wandte sich um und suchte hinter sich nach etwas, dem ihre Blicke gelten mochten, doch da war nichts als einige Schiffe und das Meer.
    „Hallo. Reisen Sie auch mit?“, wurde er in englischer Sprache angesprochen, doch die Worte kamen nicht von den Einheimischen. Ein schlanker Mann von schätzungsweise fünfunddreißig Jahren stand neben ihm, die Hände in die Taschen seiner Leinenhose gesteckt, sauber frisiert. Vermutlich ein Europäer, wenn auch sein sonnenverbranntes Gesicht auf den ersten Blick etwas anderes hatte vermuten lassen. Er hatte ihn nicht kommen hören.
    „Ich …“ Sir Darren kämpfte mit einer Antwort. „Wer sind Sie?“
    „Harold Staven, ursprünglich aus Cleveland, Ohio, aber schon seit frühster Jugend in der ganzen Welt zu Hause. Sagen Sie, Sie haben zwar erst vier Wörter gesagt, aber diese klangen britisch in meinen Ohren.“
    „Das ist korrekt“, brachte der Dozent hervor. „Mein Name ist … Darren Edgar.“
    „Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mister Edgar. Wollen Sie mir nun verraten, ob ich mit Ihrer Anwesenheit an Bord rechnen darf? Es würde mich freuen.“
    „Nein, ich …“ Warum konnte er ihn sehen, mit ihm sprechen? Eigentlich durfte es dafür nur zwei Erklärungen geben. Entweder hatte dieser Harold Staven eine besondere Gabe, oder er war einer von seinesgleichen.
    Ein Passepartout.
    Ein Geist.
    „Das Schiff“, erklärte Staven, „transportiert Jaggeree, Sie wissen schon, diesen braunen Zucker, den man aus Dattelpalmen gewinnt. Und natürlich Baumwolle und Öl und, wie ich mir sagen ließ, ein paar Kisten Opium – nicht, dass ich eine übermäßig ausgeprägte Schwäche dafür hätte, verstehen Sie mich nicht falsch!“
    Opium! Es war schon ziemlich lange her, dass es erlaubt gewesen war, mit Opium Handel zu treiben. Dieses Schiff …
    „Ich reise aus einer gewissen Unruhe heraus, mehr nicht“, sprach der Mann weiter. „Meine Gedanken drehen sich um Physik – alles andere, wie zum Beispiel die Lehren, die man Ethik nennen mag, habe ich widerlegt und abgehakt. Aber manchmal bringt einem die Physik nicht die Ruhe, die man sich ersehnt. Was führt Sie aus dem fernen Königreich hierher, Mister Edgar?“
    „Eine Wette“, entgegnete er abwesend, während er über die Selbstvorstellung des Amerikaners nachdachte. Seine Worte kamen ihm bekannt vor, erinnerten ihn an etwas. „Ich habe dummerweise gewettet, ich acht Wochen um die Welt zu reisen.“
    „In acht Wochen? Außerordentlich! Dann nehme ich an, Sie liegen gut in der Zeit, denn auf mich machen Sie keinen sehr eiligen Eindruck. Herzlichen Glückwunsch zu dieser originellen Idee!“
    „Nein, ich habe die Wette verloren“, sagte Sir Darren, und in einem Anflug von Galgenhumor fügte er hinzu: „Ich habe schon immer geahnt, dass Jules Verne geschummelt haben muss.“
    „Jules Verne? Verzeihen Sie, der Name sagt mir auf Anhieb nichts. Ein Franzose?“
    „Ein …“ Schriftsteller , wollte er antworten. Aber er sah ein, dass es nichts bringen würde. Er stand dem Geist eines Mannes gegenüber, der schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel hatte. Wo kam er auf einmal her? Hatte Harold Staven etwas mit dem Fliegenden Holländer zu tun, mit dem er gekommen war? „Wohin fährt dieses Schiff?“, erkundigte er sich.
    Staven lächelte. Es schien ihn zu freuen, dass er das Interesse des Briten hatte wecken können. „Die Südküste Javas entlang, dann zum Sunda-Archipel und bis nach Timor“, meinte er. „Mit Halt in verschiedenen Häfen, die ich Ihnen nicht einmal aufzählen könnte. Ich fürchte, es wird nicht gerade die stillste und beschaulichste Reise werden, aber die Küstenlinie ist ausgesprochen reizvoll. Oh, verzeihen Sie, vermutlich kennen Sie sie bereits.“
    „Ich hatte noch nicht das Vergnügen“, sagte Sir Darren.
    „Ist das wahr? Dann kommen Sie doch einfach mit, falls Sie

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