9 - Die Wiederkehr: Thriller
die Schultern sinken und warf das Telefon aufs Bett. Mit herunterhängenden Armen stand er da und blickte ins Nichts.
»Es ist nicht daran zu rütteln.«
Und doch weigerte er sich aufzugeben. Immer noch in denselben Kleidern wie am Vortag fing er an, nach der Lösung der beiden Probleme zu suchen, denen er sich jetzt stellen musste.
Erstens, wie kam er aus dem Haus?
Und zweitens, woher sollte er eine Waffe hernehmen, bevor er ins Open fuhr?
»Dieses Schwein von Schicksal hält sich wohl für schlau genug, mich heute dahinzulotsen«, sagte er. »Wir werden ja sehen, wer hier der Gerissenere ist.«
Er ging zum Schrank und nahm das erstbeste T-Shirt heraus, das er finden konnte. Zog das alte aus und wischte sich damit kurz über die Achseln. Dann sah er zum Telefon auf dem Bett und überlegte, seine Mutter anzurufen. Sie war die Einzige außer Andrea, die einen Reserveschlüssel hatte. Andrea hatte er natürlich nicht darum bitten können. Wie hätte er ihr erklären sollen, dass er sich eingeschlossen hatte und dann seinen Schlüsselbund aus dem Fenster geworfen hatte? Aarón blickte um sich und wusste, was seine Mutter sagen würde, wenn sie die Wohnung in diesem Zustand zu Gesicht bekäme. Vielleicht war auch die Nachricht, dass man ihm kündigen wollte, schon bis zu ihr vorgedrungen. Er verwarf den Gedanken. Da klingelte noch einmal das Handy. Aarón schielte über die Bettdecken hinweg auf das Display.
»Sie weiß es.«
Er zog sich das saubere T-Shirt an und sah zum Fenster über der Kopflehne des Bettes. Kurz überlegte er, dann stieg er aufs Bett und stakste bis ans Kopfende. In der Nacht hatte er irgendwann das Fenster aufgemacht, in der vergeblichen Hoffnung, ein wenig frische Luft hereinzulassen. Mit einer Hand an der Stirn, um die Augen abzuschirmen, lehnte er sich hinaus. Direkt unter ihm, tatsächlich gar nicht so weit entfernt, erstreckte sich eine der um den gemeinschaftlichen Swimmingpool des Wohnhauses herum angelegten Grünflächen. Er sah sich nach links und rechts um. Dann zog er den Kopf wieder ein. Vom Bett lief er zum Wohnzimmertisch, der unter dem Fenster stand, aus dem er die Schlüssel hinausgeworfen hatte.
Er konnte nicht umhin, ein letztes Mal auf die Blätter zu schauen. Er überflog die Skizze, die beschrieb, was vermutlich heute Abend im Open vorfallen würde. Er sah seinen Namen und den von Señor Palmer. Unter dem Kreis um seinen Namen las er noch einmal das Wort »Opfer«. Ihn fröstelte. Er fragte sich, wer die »Zeugen« sein würden. In den letzten Kreis hatte er das Wort »Mörder« geschrieben. Er nahm den Kugelschreiber.
»Nicht, wenn ich dich zuerst kriege und du dich in das Opfer verwandelst«, sagte er laut.
Er strich den Kreis durch. Außerdem strich er mehrmals das Wort »Opfer« unter seinem Namen durch. Seine Augen fielen auf eine Angabe, die er vor ein paar Tagen noch gründlich überprüft hatte. Zwei Zeilen, die er mehrmals mit demselben Kugelschreiber eingerahmt hatte, bis das Blatt eingerissen war. Die zwei Zeilen lauteten:
14. August 2009
Opfer: der Junge
Er lächelte. Jetzt war er sich des Denkfehlers bewusst. Alles würde einen Monat später geschehen. Oder vielleicht gar nicht.
»Nicht, wenn ich den Mörder heute Abend erledige und dieser ganze Wahnsinn ein Ende hat.«
Triumphierend warf er den Kugelschreiber auf den Tisch, und dieser glitt über seine Oberfläche, bis er gegen den Stein stieß. Den Stein, den er vom Grund des Sees geholt hatte, um ihn am Abend, an dem alles begann, Andrea zu schenken. Der, den sie ihm zehn Jahre später, am Tag ihrer Trennung vor genau einem Monat, zurückgegeben hatte. Aaróns Herz schlug schneller. Ein Monat ohne Andrea war sehr viel länger, als er es sich hatte vorstellen können. Das war ihm jetzt klar geworden. Er verpasste nichts. Weil es da ohne sie gar nichts gab. »Du kannst ihn mir wiedergeben, wann du willst«, hatte Andrea gesagt und den Stein auf das Armaturenbrett im Auto gelegt. Aarón nahm ihn und steckte ihn in die Hosentasche. Er könnte ihn ihr noch heute zurückgeben.
Er hielt sich rechts und links am Fensterrahmen fest. Unten schimmerte der Rasen in einem Grün, das nur in den gepflegtesten Gärten der teuersten Wohnanlagen von Arenas existierte.
»Das kannst du«, versuchte er sich zu überreden.
»Komm schon, Mann, ist doch nur der erste Stock«, hatte David eines Abends gesagt, an dem sie nackt aus dem Fenster gesprungen und zum Swimmingpool gerannt waren. So waren gelegentlich die
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