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9 - Die Wiederkehr: Thriller

9 - Die Wiederkehr: Thriller

Titel: 9 - Die Wiederkehr: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Pen , Nadine Mutz , Hanna Grzimek
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anzusprechen.
    Victoria warf die Schuhe aufs Bett und setzte sich neben ihren Mann auf die Bettkante, die Arme hinten aufgestützt, ein Bein über das andere geschlagen. Nachdem sie sich eine Weile fest in die Augen geschaut hatten, ergriff er das Wort.
    »Was genau sollte das denn?«
    »Ich bitte dich«, sagte sie in übertrieben verächtlichem Ton. »Glaubst du vielleicht, ich wollte, dass er sich mies fühlt? Ich habe nach seinen Freunden gefragt, ohne darüber nachzudenken. Ich weiß selbst, dass dein Sohn in der Schule nicht gerade der Beliebteste ist.« Sie stellte die Beine wieder gerade. »Aber ich bin mir einfach sicher, dass der Brief aus der Feder seiner Mitschüler stammt.«
    Sie hielt inne und legte eine Hand auf Amadors Knie.
    »Wer sonst sollte so etwas machen?«, fragte sie, ohne eine andere Urheberschaft überhaupt in Betracht ziehen zu wollen.
    Jede andere Möglichkeit war einfach zu verstörend.
    Ihr Mann sah sie durchdringend an. Er entdeckte in ihrem Gesicht wieder denselben kalten Ausdruck, der ihn schon auf jenem öden Juristentag in Prag fasziniert hatte, bei dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Die meisten Männer hätten lieber behauptet, sie hätten sich in einem hochromantischen Moment unter dem Sternenhimmel in ihre Frauen verliebt, oder bei einem neugierigen Blickwechsel in einem öffentlichen Verkehrsmittel, auf den hin sie heimlich eine Stunde ihrer Arbeitszeit in einem Café verbrachten. Doch als Amador versuchte sich zu erinnern, warum er sich in die Frau verliebt hatte, die ihm dann einen Sohn schenkte, tauchte in seiner Erinnerung nur ein einziges Bild auf. »Diese Frau interessiert dich«, hatte sein Vater zu ihm gesagt und mit dem Zeigefinger der Hand, in der er einen doppelten Whisky hielt, auf eine gewisse Victoria Cuevas gedeutet. Das eckige Gesicht der hochgewachsenen Frau, in dem nur ihre grünen Augen lächelten und das den Rhythmus der angeregten Unterhaltung vorgab, die sie mit drei Männern in Anzug und Krawatte führte, während ihre Hüften zu einem ganz anderen Rhythmus zu tanzen schienen, dem beschleunigten Rhythmus von Amadors Herz, dieses Gesicht sah ihn an, während die Eiswürfel im Whisky seines Vaters gegen das Glas klirrten. Und tatsächlich war Amador Cruz in diesem Moment ebenfalls der Meinung gewesen, dass er sich für Victoria Cuevas interessierte.
    Als sie jetzt nebeneinander auf der Bettkante saßen, konnte sich Amador nicht mehr erinnern, ob er überhaupt jemals mehr für sie empfunden hatte als das anfängliche Hingezogensein zu einer Frau, die ihm sein Vater als »interessant« angepriesen hatte.
    »Ich weiß, dass du ihn nicht bloßstellen wolltest«, sagte er.
    Er streichelte ihr über die Wange. Victoria senkte den Blick. Er fiel auf den Umschlag in ihrer Hand. Dann zog sie den Brief heraus und legte ihn zwischen ihre und die Beine ihres Mannes, was als kraftlose Einladung zu einer erneuten Lektüre gemeint war.
    »Wie kann man nur so was tun?«, fragte er.
    Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ein normaler Mensch ein Kind auf so grausame Weise erschrecken wollte.
    »Ich bin mir sicher, dass es seine Klassenkameraden waren.« Victoria gab sich alle Mühe, überzeugt zu klingen. »Das Ganze ist ein dummer Streich von ein paar schlecht erzogenen Kindern, sonst nichts.« Sie packte ihren Ehemann noch einmal am Knie und rüttelte es. »So war es. So und nicht anders.«
    »Meinst du wirklich, dass sie so weit gehen?«
    »Schatz, ich habe gesehen, wie sie sich über ihn lustig gemacht haben. Wenn ich ihn nachmittags abhole, steht er immer alleine da«, sie machte mit der Hand eine Geste, »wie abgetrennt von den anderen. Seine Kameraden sind alle in dem Laden auf der anderen Straßenseite.«
    »Im Open?«
    »Ja, bei dem Amerikaner, in dem Tankstellenshop, in …«, es kostete sie einige Sekunden, um die Bedeutung von Amadors Frage zu begreifen, »… dem Laden, der in dem Brief erwähnt wird.« Dabei betonte sie jedes einzelne Wort, als übersetzte sie aus einer anderen Sprache. »Siehst du? Die Kinder waren es.«
    Dann stand sie abrupt auf. Sie fasste sich mit der Hand an die Stirn und massierte sie leicht, um einen aufkommenden Kopfschmerz zu vertreiben.
    Alles schien plötzlich einen Sinn zu ergeben.
    Es war noch keine zehn Jahre her, dass der junge Mann im Laden des Amerikaners umgekommen war. Im Open, wie alle den Tankstellenshop nannten. Die Mutter jenes jungen Mannes hatte das Haus seither nicht verlassen, denn ihr fehlte die Kraft

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