9 SCIENCE FICTION-STORIES
meinen Heustock vom Jahr 1977. Die Linse da draußen ist eingestellt …«
»… auf 1957?« fragte ich dumpf.
»Auf das frühe 1957«, ergänzte sie. »Sie ist auf einen Tag eingestellt, der einige Monate vor dem Unfall liegt. Wenn du ihn wirklich haben möchtest, brauchst du nur durch den Brennpunkt zu gehen, ihn im Jahre 1957 festzuhalten und ihn nicht mehr loszulassen. Aber gib acht, daß er nicht in das magnetronische Feld fällt.«
Ich fuhr mit der Zunge über meine spröden Lippen. »Und wenn es doch geschieht?«
»Dann warte ich hier auf ihn.«
Mir schwirrte der Kopf. »Aber, wenn ich in das Jahr 1957 zurückkehre, wie kann ich sicher sein, daß ich ihn rechtzeitig finde? Angenommen, er ist auf einer Safari in Südafrika?«
»Du wirst ihn finden. Hier. Er hat den Frühling und den Sommer des Jahres 1957 auf Skyridge verbracht. Das Haus war schon immer in seinem Besitz.«
Ich konnte ihre Augen nicht sehen, aber ich wußte, daß sie vor Spott funkelten.
»Die Sache mit dem Kind«, sagte ich kurz. »Was hat das mit ihm zu tun?«
»Deine einzige Chance, ihn für immer festzuhalten, ist das Kind«, sagte sie kühl.
»Das Kind?«
Das Ganze ergab keinen Sinn. Ich gab es auf, nachzudenken.
Eine lange Minute herrschte Schweigen zwischen uns, nur unterbrochen von dem leisen Atmen Johnnys und dem Murmeln des Wassers, das aus der Vergangenheit kam.
Ich blinzelte.
Ich mußte Johnny haben. Ich würde zurück ins Jahr 1957 gehen. Plötzlich fühlte ich mich erleichtert und froh.
Die Ganguhr begann Mitternacht zu schlagen.
In ein paar Sekunden war der dritte Juni 1977 Geschichte. Mutter würde weg sein, Vergangenheit, nicht einmal fähig, das Wetter vorherzusagen.
Ich zog meine Hausschuhe und meinen Schlafanzug aus. Ich schätzte die Entfernung zum Balkon ab.
Meine Stimme gehorchte mir nicht mehr. »Mutter!« schrie ich. »Gib uns eine letzte Vorhersage!«
Ich stieß mich ab und sprang – in eine andere Zeit. Mutters Antwort erreichte mich durch die Linse. Ich hörte sie im Jahre 1957 –
»Du hast ihn nicht gehalten.«
Sein richtiger Name war James McCarren. Es stimmte tatsächlich, daß er Doktor war. Physikprofessor. Alter – etwa vierzig. Hatte ich erwartet, er würde jünger sein? Er schien älter als ›Johnny‹. Und er hatte zwei gesunde Augen. Keine schwarze Binde.
Es stimmte – ihm gehörte Skyridge. Er verbrachte die Sommermonate dort. Ging auf die Jagd und zum Angeln, um sich von den Semestern zu erholen.
Und jetzt, mein Freund, wenn du dich ein wenig entspannst, erzähle ich dir, was sich in der Nacht zum fünften August 1957 zutrug.
Ich beugte mich über den Balkon und starrte hinunter in den rötlich erleuchteten Tumult der Wasserstrudel, als ich fühlte, daß Jim hinter mir stand. Ich spürte, wie seine Blicke über meinen Körper tasteten.
Noch vor einem Augenblick hatte ich tief eingeatmet und versuchte nun, langsam die Luft aus meinen angespannten Lungen zu lassen. Gleichzeitig schob ich Jims Pistole ein wenig höher in meine Achselhöhle. Der kalte Stahl ließ mich zusammenzucken.
Es war zu scheußlich. Seit zwei Monaten liebte ich ihn auf eine faszinierende Weise, wenn auch lange nicht so faszinierend, wie ich Johnny geliebt hatte (Ein paar Wochen mit Mutter können einen Mann wirklich verwandeln!). 1957 war Johnny – oder Jim – sehr zartfühlend und fürsorgend. Auf eine sonderbare Art keusch. Fast väterlich. Es war zu scheußlich, daß ich ihn als Jim zu lieben begann.
Und da war Mutters letzte Vorhersage. Ich hatte lange darüber nachgedacht. Soweit ich sehen konnte, gab es nur eine Möglichkeit, daß er nicht zu ihr ›durchbrannte‹.
»Komm doch auch heraus«, sagte ich und hielt ihm mein Gesicht entgegen, damit er mich küssen konnte.
Als er mich freigab, sagte ich: »Weißt du
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