9 SCIENCE FICTION-STORIES
unversucht gelassen hatten. Er verwandelte sich in eine formlose einzellige Masse – mitten auf dem Fußboden seines Appartements.
Seine einzige Einnahmequelle bestand aus einer kümmerlichen Pension. Er konnte keine Arbeit annehmen, weil die damit verbundene Aufregung es unweigerlich mit sich brachte, daß er vor aller Augen zu einem Blobel wurde.
Das Verhältnis zu seinen Kollegen wurde dadurch nicht unbedingt besser.
Auch jetzt wieder, um acht Uhr abends, spürte er deutlich die kommende Verwandlung. Er trank hastig die Tasse aus, setzte sie auf den Tisch – und spürte, daß er zu einem formlosen Klumpen zusammensank. Das Telephon klingelte.
»Ich habe keine Zeit«, rief er. Das Mikrophon nahm den undeutlich gemurmelten Satz auf und gab ihn an den Anrufer weiter. Unterdessen war Munster zu einer durchsichtigen, gallertartigen Masse geworden, die in der Mitte des Teppichs ruhte. Er wälzte sich auf das Telephon zu, das noch immer klingelte, und streckte mit großer Mühe ein Pseudopodium aus, um den Hörer abzuheben. Dann formte er seine plastische Körpermasse zu einer Art Stimmorgan, das dumpf und gepreßt klang. »Ich bin beschäftigt«, murmelte er in die Sprechmuschel. »Rufen Sie später an.« Am besten erst morgen früh, wenn ich wieder ein richtiger Mensch bin, hätte er beinahe hinzugefügt.
Dann herrschte wieder Ruhe.
Munster schlängelte sich durch den Raum zu einem Fenster hinüber, von dem aus man weit über die Dächer von San Franzisko sah. Eine lichtempfindliche Stelle an seiner Körperoberfläche ersetzte die Augen zwar nur unzulänglich, aber trotzdem erkannte er zumindest in großen Umrissen die Bucht, die Golden Gate Bridge und Alcatraz Island.
Der Teufel soll alles holen, dachte er resigniert. Warum kann ich nicht ein normales Leben führen, wie es Millionen Amerikaner tun?
Als er den Auftrag angenommen hatte, war er völlig ahnungslos gewesen, daß dieser Dauereffekt zurückbleiben würde. Man hatte ihm gesagt, daß er nur »eine gewisse Zeit lang« als Blobel leben müsse. Eine gewisse Zeit lang! dachte Munster wütend. Jetzt ist es schon elf Jahre her. Und die psychologischen Probleme hatten sich als immer schwieriger erwiesen. Deshalb hatte er heute Dr. Jones aufgesucht, sich Hilfe erhoffend.
Das Telephon klingelte wieder.
»Okay«, sagte Munster laut und kroch mühsam darauf zu. »Wenn Sie unbedingt mit mir sprechen wollen, dann sollen Sie mich sogar sehen können.« Er drückte auf den Knopf, der die Aufnahmekamera in Betrieb setzte. »Machen Sie die Augen gut auf«, empfahl er und präsentierte sich in seiner ganzen amorphen Schönheit.
Dr. Jones war am Apparat. »Tut mir leid, daß ich Sie zu Hause stören muß, Mr. Munster, besonders da Sie sich augenblicklich in dieser – äh – mißlichen Verfassung befinden.« Der homöostatische Therapeut machte eine kurze Pause. »Aber ich habe mich ausführlich mit Ihrem Problem beschäftigt und glaube, daß ich zumindest eine Teillösung gefunden habe.«
»Was?« meinte Munster überrascht. »Wollen Sie damit sagen, daß die medizinische Wissenschaft jetzt einen Weg gefunden hat …«
»Nein, nein«, unterbrach Dr. Jones ihn hastig. »Die rein physikalischen Aspekte fallen nicht in mein Gebiet; daran müssen Sie immer denken, Mr. Munster. Es handelt sich eher um die psychologische Anpassung, die in Ihrem Fall …«
»Am besten komme ich gleich zu Ihnen, Doktor«, schlug Munster aufgeregt vor. Aber dann fiel ihm ein, daß das unmöglich war, denn in seiner jetzigen Form hätte er Tage gebraucht, um sich bis zu der Praxis des Arztes durch die Stadt zu schlängeln. »Dr. Jones«, sagte er verzweifelt, »Sie sehen
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