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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kinnings
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entlang, und ihre Lunge lechzte nach Luft. Nachdem ihre Finger das Ende des Waggons ertastet hatten, schob sie den Kopf über Wasser, holte tief Luft und tauchte dann wieder unter.
    Aus dem Waggon waren weitere Schüsse zu hören. Vielleicht hatte die zweite Angriffswelle begonnen. Sie hoffte, dass ihre Mitstreiter Erfolg damit hatten. Sie selbst würde nicht dabei sein. Der Fluchtimpuls war unwiderstehlich. Auch wenn sie versucht hätte, ihn zu unterdrücken, wäre es ihr nicht gelungen. Sie musste so viel Abstand wie nur irgend möglich zwischen sich und den Zug bringen.
    Als die U-Bahn hinter ihr kaum noch zu sehen war, wagte es Daniella, aufzutauchen und an der Wasseroberfläche weiterzuschwimmen. So kraulte sie den Tunnel entlang, bis ein schwaches Licht in der Ferne erschien.
    Hughs eigenartig beschwingte Zuversicht hatte einen Dämpfer erhalten. Er spürte, wie ihn der Mut verließ. Das durfte er nicht zulassen, er musste den Schwung von vorhin mitnehmen und handeln. Was ihn lähmte, war die dunkle Ahnung, dass er sein erfolgreiches Eindringen nicht der eigenen List und Erfindungsgabe zu verdanken hatte, sondern der Entführerin. Der Gedanke, sie habe ihn vielleicht absichtlich hereingelassen, verunsicherte ihn zutiefst. Vermutlich war es doch nicht die beste Strategie gewesen, sich blindlings in den Waggon zu stürzen. Er fragte sich, ob seine Zweifel der Beginn seiner zurückkehrenden Feigheit waren. Davor hatte er noch mehr Angst als vor allem anderen.
    Auf der anderen Seite des Waggons versuchte sich einer seiner Mitstreiter Zutritt zu verschaffen. Hugh konnte nicht erkennen, wer es war. Während die Entführerin auf den Eindringling schoss, machte ein zweiter Mann Anstalten, durch dasselbe Loch im Fenster zu klettern wie Hugh. Bevor er sich in den Waggon stemmen konnte, schleuderte ihn ein Schuss zurück gegen die Tunnelwand. Er kippte vorwärts ins Wasser.
    Es wurde Zeit, dass Hugh den nächsten Schritt unternahm, doch er wurde erneut von quälender Unentschlossenheit ergriffen. Während er noch nachdachte, verschafften sich zwei weitere Männer durch neu entstandene Löcher in den Fenstern Zutritt. Er schätzte ihre Überlebenschancen nicht allzu hoch ein. Es war offensichtlich, dass die Entführerin sie absichtlich hereinließ, genau wie sie es bei ihm getan hatte. Kurz darauf hörte er nacheinander zwei Schüsse und zwei Körper, die ins Wasser fielen.
    Jetzt würde bestimmt niemand mehr sein Glück versuchen. Es lag also allein an ihm, wie die Sache ausging.
    Es war dunkel im Waggon, die Laterne am Handlauf bildete die einzige Lichtquelle. Unter Wasser war es noch finsterer. Wenn Hugh möglichst tief tauchte und sich von der Wasseroberfläche fernhielt, konnte er vielleicht vom Ende der Sitzreihe, hinter der er kauerte, bis zur mittleren Waggontür schwimmen, neben der die Frau stand. Konnte er sich an den Sitzen entlangziehen, ohne sie auf sich aufmerksam zu machen? Es war müßig, länger darüber nachzugrübeln. Er holte mehrmals tief Luft, um sein Blut mit möglichst viel Sauerstoff anzureichern, und tauchte unter. Ihm fiel ein, wie sein Bruder und er als Kinder im Garten Soldaten gespielt hatten. Dabei war häufig der Satz gefallen, dass man die Kugel, die einen tötet, nicht kommen hört. Diesen Spruch hatten sie wahrscheinlich aus einem Comic oder einem Film. Und nun, all die Jahre später, würde Hugh herausfinden, ob er stimmte.
    Die Frau war noch ungefähr drei Meter von ihm entfernt. Mit dem Jagdmesser in der Hand glitt er unter Wasser auf sie zu.
    13.58 Uhr
    MI5-Zentrale, Thames House
    »Wir waren uns einig, was die verdeckte Operation angeht, Howard, auch wenn die wichtigsten Entscheidungen an mir hängengeblieben sind. Wenn nun alles daran scheitert, dass einer von uns die Nerven verliert, sitzen wir beide in der Patsche.«
    »Soll das eine Drohung sein?«
    »Sie waren auch der Ansicht, dass es funktionieren könnte, also machen Sie jetzt bitte keinen Rückzieher.«
    »Mark, dort unten sitzen Hunderte Menschen fest. Der Kommandeur der Sondereinsatzkräfte will seine Männer nicht in den Tunnel schicken, weil Denning damit gedroht hat, Sprengsätze zu zünden. Momentan sind alle wie gelähmt – der Premierminister, das Innenministerium, das Krisenkomitee, die Medien –, aber sobald diese Tragödie vorbei ist, werden sie sich auf uns stürzen. Unsere Rolle bei der ganzen Sache wird sich unmöglich geheim halten lassen.«
    Berrimans Ischiasschmerz fühlte sich an, als hielte ihm jemand

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