911
Qualität des Produktes derart absolut gesetzt, dass die Kosten für diese Qualität aus dem Blickwinkel rutschten.
Zudem arbeiteten die Zulieferer unzuverlässig. »Ende der 80er Jahre wurden 20 Prozent aller Teile mehr als drei Tage zu spät angeliefert, ein Drittel der Lieferungen hatte die falsche Menge und 10.000 Teile von jeder Million waren defekt«, schreibt Wiedeking. »Bei Toyota dagegen […] waren nur ungefähr fünf Teile von jeder Million unbrauchbar und sie wurden zu mehr als 99 Prozent termingerecht und in der richtigen Menge geliefert.«
Die Porsches waren zu teuer: Die Produktionszeiten mussten gesenkt werden und damit die Kosten. Wiedeking befahl seinen Mitarbeitern, die MIT-Studie über »Die zweite Revolution in der Autoindustrie« zu lesen. Dann erfolgte eine Bestandsaufnahme des Unternehmens, die zu erschütternden Ergebnissen kam. »Es war ja nichts in Ordnung, kein einziger Bereich.« Schlagartig wurde bewusst, wie weit Porsche hinter den japanischen Unternehmen herschlich. Das wurde als »richtige Kränkung« empfunden. Doch angesichts der Rezession 1992 blieb keine andere Wahl, als einen radikal neuen Kurs einzuschlagen. Wiedeking musste 2.000 Stellen abbauen, die Managementebenen wurden von sechs auf vier reduziert und der gesamte Workflow umgebaut. Das geschah, während der 993er frisch in die Produktionging, und setzte sich während der gesamten Laufzeit dieses Modells durch. Erst mit dem Modell 996 schrieben sich die Produktionsbedingungen auch in das Produkt. Dieser Porsche sollte zum ersten globalisierten Elfer werden und zu einem Wendepunkt für den Porsche 911. Zeitgleich zu der Umstellung der Produktion wurde auch die Firma Porsche als der clevere David der Autobranche positioniert. Dem Totenbett entronnen, sollte die Zerbrechlichkeit der kleinen Marke zur Stärke umgedeutet werden, weil sie wie in der Geschichte aus dem Alten Testament Beweglichkeit und Überraschung ermöglichte. Zudem hatte Porsche in dieser Zeit die Chance, von der Konkurrenz unterschätzt zu werden. Wiedeking wurde von PR-Chef Anton Hunger als Gesicht der Marke aufgebaut. Es wurde erstmals ein weltweit harmonisiertes und integriertes Marketing eingeführt. Die Stimmigkeit von Produkt, PR und Marketing brachte den Erfolg mit dem Turnaround 1995. Porsche wurde wieder zur Marke der Erfolgreichen.
Vater und Sohn:
die Familienkutsche
Ein Porsche gehört einem nie ganz allein. Man erfreut sich ein Leben lang an ihm, aber eigentlich bewahrt man ihn schon auf für die nächste Generation. Die Paraphrase der Philosophie eines Genfer Uhrenherstellers beschreibt das Traditionsverständnis vieler Elfer-Väter ziemlich genau. Im lateinischen »traditio« steht die Übergabe vom realen Objekten vor der Überlieferung. Beides kommt im Elfer zusammen, wenn die Euphorie-Infektion vom Vater auf den Sohn oder die Tochter übertragen wird. Es geht bei einem tendenziell irrationalen Objekt wie dem Sportwagen weniger um eine Konvention, die der Vater oder die Mutter dem Nachwuchs einpaukt, sondern um eine geteilte Passion und Zuneigung.
Regrediert der Vater am Steuer seines Elfers, kommt er dem Spieltrieb seines Sohnes denkbar nahe. Auf YouTube gibt eseinen Clip, den zu sehen bekommt, wer die beiden Stichwörter »Porsche« und »boy« eingibt. Es zeigt einen in etwa fünf- oder sechsjährigen Sohn auf dem Beifahrersitz eines sehr sportlichen Elfers beim Einbiegen auf eine Hauptstraße. Leise, beim ersten Studium des Clips kaum vernehmbar, zählt der Junge langsam runter: »Ready, steady, … go!« Daraufhin beschleunigt der Vater mit schwarzem Baseballcap derart, dass er und sein Sohn in die Recaro-Rennschalen gedrückt werden. Der Junge johlt vor Glück und der Vater strahlt vor Stolz, dass der Junge diese Beschleunigung inmitten städtischen Verkehrs als reines Vergnügen erlebt. Am Ende der 30 Sekunden dauernden Überschreitung der gesamten Straßenverkehrsordnung fragt der Junge, ob es vor der Schule noch Kuchen gebe, der Vater nickt. »Und Schokolade?« – »Auch das«, verspricht der Vater.
Jeder Elfer-verrückte Vater wünscht sich heimlich oder auch weniger heimlich, dass seine Kinder die Leidenschaft ein wenig mit ihm teilen. Geteiltes Glück ist doppeltes Glück. Der Clip zeigt ein Ideal: Vater und Sohn in der Begeisterung vereint, wechselseitiges Totalvertrauen, Nähe durch Freude und Erregung. Im Begleittext zum Clip gesteht der Vater ein wenig selbstironisch, dass er nur so schnell fährt, weil die »peer
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