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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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überfahren worden, der von zwei robusten Pferden gezogen wurde. Drei Frauen, welche die Kapuzen ihrer Umhänge tief über die Köpfe gezogen hatten, saßen darauf. Ihnen folgte eine Gruppe bewaffneter Soldaten. Einer der Soldaten versuchte, die Masse mit Peitschenhieben auseinanderzutreiben. Giovanni schaute über die Flussmauern und sah am Ende der Rampe, die zum Fluss hinunterführte, drei Pfähle. Ein Scheiterhaufen! In Rom, am Ostersonntag. Die drei Frauen wurden vom Karren geholt und wie Säcke auf den Schultern der Soldaten hinuntergetragen. Die Menge johlte. Ein Mönch begleitete sie und machte das Kreuzeszeichen.
    »Schaut! Die Töchter der Sünde erhalten ihre gerechte Bestrafung«, rief der Gottesmann.
    »Aber, bei Gott, was haben sie getan? Und heute ist …«
    »Seid still! Und flucht nicht! Man merkt, dass Ihr ein Fremder seid. Versteht Ihr nicht? Es sind Hexen, die gestanden haben, dass sie das Hinterteil Satans geküsst haben!«
    Der Mönch begann, immer lauter zu schreien, und seine Stimme drang bis zu den Ohren aller Anwesenden: »Gleich werden sie im Fegefeuer schmoren, und dort wird ihre Wollust Frieden finden. Haltet ein, Sünder! Senkt die Augen! Und dankt unserem Heiligen Vater, dass er ihnen die Kapuze aufsetzen ließ. Ihr würdet unter ihren Blicken zu Asche werden! Auf die Knie, auch Ihr, Fremder! Und nun gebt etwas, auf dass Euch Eure Sünden verziehen werden – oder seid Ihr etwa Komplize dieser Vermaledeiten?«
    Giovanni sah sich gezwungen niederzuknien und zu warten, bis der Mönch die Spenden eingesammelt hatte.
    Als er endlich mit der Alten weitergehen konnte, roch er hinter sich verbranntes Fleisch.
    Giovanni ließ die Alte vor der Sachsenkirche und wies sie an, sich nicht von den Stufen der breiten Treppe zu entfernen. Die Kirche war voller Menschen, und er versuchte, sich an den Apsiden der einzelnen Kapellen vorbei einen Weg zu bahnen. Er musste sie finden und sich zu erkennen geben, denn mit dem Bart und den schwarzen Haaren sah er nicht wie der Mann aus, den Margherita kannte. Während er sie suchte, fragte er sich, ob sein neues Aussehen möglicherweise Margheritas Gefühle ändern könnte, aber er verjagte diese absurden Gedanken sofort. Die Zeit verstrich, und die Menschen begannen, vor Christus niederzuknien, um sich an ihm zu laben. Giovanni blieb stehen und beobachtete den Ritus des Brotteilens und Weintrinkens. Was in seinen Ursprüngen ein Moment der Brüderlichkeit war, war zu einem schrecklichen Opferritus verkommen – welche Mutter würde es erlauben, ihren eigenen Sohn verschlingen zu lassen? Dem Gott der Heere, des Krieges und der Apokalypse schien dieses Opfer jedoch wohlzugefallen. Als Giovanni zusah, wie die geweihten Eier gesegnet wurden, musste er lächeln. Dieser Ritus gehörte der Mutter. Denn seit Anbeginn der Bräuche symbolisierten Eier die Fruchtbarkeit und die Erneuerung der Natur. Die Messe ging zu Ende, die Menschen verließen die Kirche, und Giovanni kam sich verloren vor. Er spähte sich nach allen Frauen um. Als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, drehte er sich erschrocken um.
    »Ich konnte dich nicht allein gehen lassen«, sagte Ferruccio mit ernster Stimme und beugte sich näher zu ihm. »Ich weiß, wo sie ist«, raunte er Giovanni zu.
    »Ist sie am Leben? Geht es ihr gut?«
    »Ja, aber was ich dir zu sagen habe, wird dir nicht gefallen.«
    * * *
    Die beiden Männer gingen hinter der alten Dienerin her, die im Gehen Rosenkränze betete.
    »Heute Morgen habe ich früh das Haus verlassen und bin zu Mariotto de’ Medici gegangen.«
    »Aber warum? Und wenn dich jemand erkannt hat?«
    »Niemand kennt mich. Außerdem steht ein alter Freund von mir in seinen Diensten. Verzeih’ mir, Giovanni, aber ich habe ihrem Brief nicht getraut.«
    »Und? Was hast du entdeckt?«
    »In den ersten Tagen dieses Monats ist Margherita in das SanSisto-Kloster zu den Nonnen des heiligen Dominikus gebracht worden. Ob es gegen ihren Willen geschah oder nicht, konnte ich nicht herausfinden. Mir wurde erzählt, dass es – um kein Aufsehen zu erregen – in den frühen Morgenstunden geschah.«
    Giovanni war still geworden und blickte zu Boden.
    »Ich glaube, wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem es zu schwierig und zu gefährlich für euch ist, euch zu treffen.«
    Graf Mirandola hörte ihm jedoch bereits nicht mehr zu, er war zu tief in Gedanken versunken.
    »Ich erhielt den Brief Ende März«, sagte er halblaut. »Das bedeutet, dass Margherita ihn noch selbst

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