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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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sein.«
    Leonora schaute auf, und sie konnte kaum noch atmen. Sie nahm all ihren Mut zusammen, um Giovanni das zu fragen, was ihr am meisten auf der Welt am Herzen lag: »Du glaubst also wirklich, dass er mich heiraten will?«
    »Ich denke, dass es an der Zeit ist, ihn das zu fragen. Und da ihr beiden offenbar unfähig seid, werde ich es tun«, entgegnete Giovanni beherzt.
    Leonora näherte sich ihm und umarmte ihn mit ihrer ganzen Zuneigung. Wie sie so in Giovannis Armen stand, den Kopf an seine Brust gedrückt, vergaß sie die Schmerzen und Demütigungen, die sie bisher in ihrem Leben hatte ertragen müssen. Sie war ihm so nah, und Giovanni hatte den Eindruck, dass dieses Haar und diese Arme, die ihn umarmten, zu einer anderen Frau gehörten. Er entfernte sie sanft, streichelte ihr über die Wange und zog sich in seine Kammer zurück.
    * * *
    Das Gasthaus zum Bären in der gleichnamigen Gasse war ein Gasthaus der besonderen Art. Wahrscheinlich aufgrund der Nähe zu den wichtigsten Adelspalästen und dem Vatikan trafen sich dort die besten Diener Roms. Dort begegneten sich Pagen, Diener, Kutscher, Stallburschen, Wäscherinnen und Laufburschen in freizügiger Ungezwungenheit. Sie wussten, dass sie sich dort in einem geschützten Raum bewegten, und gefahrlos lästern und sich hinter dem Rücken ihrer Herrschaften vergnügen konnten, ohne ausspioniert und gemaßregelt zu werden.
    Ferruccio hatte sich angewöhnt, regelmäßig dorthin zu gehen. Er gab sich als Schildknappe der de’ Medici aus – was nicht einmal so weit von der Wahrheit entfernt war. Alle mochten ihn, weil er großzügig und unterhaltsam war. Seine Anekdoten über das Leben am florentinischen Hof waren so amüsant, dass sämtliche Frauen um seine Aufmerksamkeit wetteiferten und sich nur allzu gerne auf seinen Schoß setzten. Diejenigen unter ihnen, die hinter seinem Rücken damit prahlten, ihn besessen zu haben, lösten damit entweder Ungläubigkeit oder Neid aus. Ferruccio wusste Bescheid, schwieg jedoch dazu und ließ die Gerüchte einfach laufen, denn dieser Ort war eine überaus wichtige Quelle an Informationen.
    Der warme Ponentino, der eine angenehme Brise brachte, ließ noch auf sich warten; deshalb war es um diese frühe Morgenstunde bereits sehr heiß. Ferruccio ging an der Engelsburg vorbei und sah drei neue Käfige an den Bollwerken. Sie bewegten sich keinen Deut. Vielleicht waren die Männer in ihnen schon längst Kadaver. Diese Todesart fürchtete er am meisten, sie war schlimmer als die Folter, das Kentern oder der Gangrän, die es einem immer noch erlaubten, seinem Leben mit einem richtig ausgeführten Schwerthieb ein Ende zu setzen. Ferruccio wurde noch durstiger. Ein unglaublicher Gestank von verfaultem Fisch stieg ihm von einem der am Fluss ankernden Boote in die Nase, und er konnte es kaum noch erwarten, endlich etwas zu trinken zu bekommen.
    Als er in das Gasthaus eintrat, ertönte von einem der Tische lautes Gelächter. Ein Küchenmädchen, das Ferruccio an ihrem weißen Häubchen erkannte, saß auf dem Schoß eines Jünglings und gab eine Geschichte zum Besten. Er trug die azurblaue Livree mit vergoldeten Eichenblättern der Familie della Rovere. Das Mädchen war mollig – ein Zeichen, dass der Koch ihr offensichtlich die besten Leckerbissen zukommen ließ. Während sie Hühnerbeine verputzte, die von den Tabletts der Herren gefallen waren, durfte er ihr wahrscheinlich den Hintern oder die Brüste begrapschen. Ferruccio bezahlte seinen Krug Apfelwein und setzte sich fröhlich über so viel Gelächter zu ihnen an den Tisch.
    »Nicht nur das«, hörte er sie erzählen. »Die Zofe berichtete, dass ihre Herrin, als sie von ihr gebadet wurde, seufzte und sagte, wie schade es doch sei, dass sein Stab nicht mehr zum Einsatz käme.«
    Alle lachten und hauten mit den Krügen auf den Tisch. Ferruccio ließ sich anstecken und stimmte in das Gelächter ein, obwohl er nicht wusste, über wen sie gerade sprachen.
    »Blondschopf hat viel Spaß«, sagte einer und wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht. »Wenn du ihn aber ärgerst, bist du ein toter Mann!«
    Eine weitere Lachsalve begleitete den letzten Satz, während der Jüngling in seiner hellblauen Livree die Gelegenheit nutzte, um dem Küchenmädchen an die Brüste zu fassen.
    »He«, sagte sie und sprang auf, »was glaubst du, wer du bist? Geh und begrabsche besser die Euter einer Kuh!«
    »Bietest du mir etwas zu Trinken an?«, fragte sie dann, an Ferruccio gewandt, und lächelte

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