999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
der man nicht wusste, ob es ein Mann war, der Frauenkleider trug, oder umgekehrt, winkte ihn Innozenz zu sich her. Rodrigo küsste elegant die Hand der Königin und machte eine leichte Verbeugung vor dem König. Dem spanischen Herrscherehepaar entging nicht die vertrauliche Geste, die er sich erlaubte, als er die Hand auf Innozenz’ Schulter legte und ihn einladend anlächelte.
»Mein lieber Rodrigo«, sagte der Papst und öffnete die Arme, »danken wir Gott für das vortreffliche Wohlbefinden unserer Gäste.«
» Dominus vobiscum.«
»Et cum spiritu tuo«, antwortete der König.
»Amen«, beendete Rodrigo die Segnungsformel.
»Wir haben eine interessante Abmachung getroffen, Rodrigo, und ich wünsche, dass Ihr als Erster davon erfahrt.«
»Das erfreut mich außerordentlich«, sagte Borgia misstrauisch.
»Auf die Anregung unserer geliebten und treuen Freunde hin habe ich der Nominierung von Tommaso di Torquemada als Generalinquisitor Spaniens zugestimmt. Damit haben wir auch eine befriedigende Vereinbarung mit der spanischen Krone, die uns so am Herzen liegt, gefunden.«
»Mein Herz gehört der Kirche und Spanien«, antwortete Borgia emotionslos. »Darum kann ich nur hocherfreut darüber sein. Und was sieht diese Vereinbarung weiter vor?«
»Dass alle konfiszierten Besitzungen und Reichtümer der Juden zu zwei Dritteln an Ihre Majestäten gehen und zu einem Drittel an den Generalinquisitor Spaniens, der die Hälfte davon für seine Ausgaben erhält und die andere uns zukommen lässt.«
Rodrigo hätte ihn am liebsten mit seinen eigenen Händen erwürgt. Giovanni war vollkommen verrückt geworden.
» Deo gratias !«, sagte der König eilig, nachdem der Herzog von Coimbra die Worte des Papstes übersetzt hatte.
Hijo de una perra y puta madre – du Hundesohn , dachte Rodrigo, während er dem König verbindlich zulächelte.
Isabella von Kastilien flüsterte dem Herzog von Coimbra etwas ins Ohr.
»Meine Königin möchte ihrem lieben Sohn erklären, dass sie sich außerdem verpflichtet hat, jedmögliche Unterstützung für die Umsetzung des Planes zu gewähren, der Euch so sehr am Herzen liegt. Auch will sie für sämtliche Ausgaben aufkommen.«
Rodrigo fühlte sich doppelt hintergangen. Die Königin hatte offensichtlich bemerkt, dass er nichts von diesem Plan wusste, und wollte ihm durch die Blume sagen, dass sie ihn nicht besonders vorteilhaft fand. Außerdem hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass der Papst noch etwas vor ihm verheimlichte. ›Frag ihn, und du wirst viele Dinge verstehen‹, meinten ihre Worte eigentlich.
Der Kardinal antwortete nicht, küsste der Königin jedoch eindringlich die Hand und schaute ihr dabei tief in die Augen. Sie hatte ihn ›ihren Sohn‹ genannt, obwohl sie viel jünger war als er. Sie war immer noch eine begehrenswerte Frau mit einer wunderschönen, dichten blonden Haarpracht. Ihr Auftreten war würdevoll wie das seiner Mutter, aber im ehelichen Alkoven, so munkelte man, sei sie wild und unersättlich.
» Bebamos y celebremos en honor de nuestro dio.«
Ferdinands Stimme unterbrach die schmutzigen Gedanken, die Kardinal Borgia sich gerade über die Königin machte. In den Gärten erschien ein Heer von Dienern, die nach der spanischen Mode gekleidet waren und Pfauenfedern im Haar trugen. Die Gäste stürzten sich auf das Zitronensorbet. Das hierfür notwendige Eis war lange vorher in speziellen Lagerräumen, die sich tief unter der Basilika befanden, gelagert worden – besonders zu dieser Jahreszeit war es eine erlesene Delikatesse. Eine Gruppe Musikanten begann zu spielen. Hörner und Flöten begleiteten eine Laute, die vorzüglich von einem spanischen Jüngling gezupft wurde. Einige der Anwesenden deuteten ein paar Tanzschritte an, aber die drückende Hitze erstickte jede Anwandlung zum Tanzen im Keim. Am frühen Nachmittag zog sich die Gesellschaft zurück, um den Seeweg anzutreten. Am Ankerplatz erwartete sie die Real Galea , ›die Unbesiegbare‹: das Flagschiff der spanischen Flotte. Endlich konnte sich Rodrigo in einem unbeobachteten Moment Papst Innozenz nähern.
»Was habt Ihr mir vorenthalten, Giovanni?«, sagte er, während er lächelnd die Verneigungen der Adeligen und Prälaten erwiderte.
»Was meint Ihr?«, fragte Seine Heiligkeit abweisend.
»Die unmögliche Vereinbarung, die Ihr mit Ferdinand und Isabella getroffen habt, ohne mich davon zu unterrichten.«
»Es erschien mir nicht von so großer Wichtigkeit.«
»Ihr habt der Nominierung von
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