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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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mir das Doppelte angeboten, wenn ich Euch, zusammen mit Fränzchen, dem Arm der Kirche übergebe. Ich habe Bitten, Ratschläge und Drohungen erhalten.«
    »Nichtsdestoweniger bin ich aber immer noch Euer … Gast. Dafür wird es einen Grund geben.«
    »Gewiss. Lasst mich deshalb eine Frage stellen, Graf, die Ihr mir bei Eurer Ehre beantworten müsst. Warum wolltet Ihr nach Paris gehen?«
    »Um meine Thesen an der Universität zu disputieren. Also um das zu tun, was mir in Rom verweigert wurde.«
    »Und wenn Ihr morgen frei wärt und gehen könntet, wohin es Euch beliebt, würdet Ihr nach wie vor nach Paris gehen wollen?«
    »Das ist der Sinn meines Lebens, meine Mission. Ich habe nichts weiter, Herzog«, fügte Giovanni hinzu und erhob sich aufgeregt. »Mein ganzes Leben habe ich den Studien gewidmet. Dafür habe ich alles verloren: die Liebe und die Jugend. Der Weg meiner Erkenntnis ist mit dem Tod befleckt, doch ich bin bereit, ihm entgegenzutreten.«
    »Diese Antwort habe ich befürchtet, und nach dem, was mir über Euch erzählt wurde, habe ich es auch nicht anders erwartet. Setzt Euch, ich bitte Euch, und hört mir zu. Königin Anne aus Frankreich sitzt zwischen zwei Stühlen. Auf der einen Seite ist der Papst, der sie bedrängt, ihm Euren Kopf zu servieren, und auf der anderen Lorenzo de’ Medici, der sie erpresst, Euch gewähren zu lassen, weil ihr Reich ohne seinen Geldfluss untergehen würde. Darum haben sie, wie es den Regeln der Diplomatie entspricht, einen Kompromiss erzielt: Die Königin stellt sicher, dass Ihr nie in Paris vorsprechen werdet und in Sicherheit nach Florenz zurückkehrt, wo Euch alles zu tun freisteht, außer der Verbreitung Eurer Thesen. Diese Thesen, sagte man mir, brächten die Gleichgewichte der Königreiche im Himmel wie auf Erden in Gefahr. Ich weiß nicht, worüber Ihr handelt, aber es scheint, dass nicht einmal der Antichrist es wagen würde, auch nur zu denken, was Ihr niedergeschrieben habt.«
    Giovanni fühlte sich auf einmal sehr alt. Er schloss die Augen und spürte, wie die Feuerkugel in ihrer Agonie schrie. Dann fühlte er für einen kurzen Augenblick einen befreienden Moment – ohne Leid, Bürden und Mühen. Es war genau der Moment, in dem die Seele bereit ist, aus dem Körper emporzusteigen – und eine große Leere erfüllte ihn.
    »Morgen werdet Ihr nach Florenz abreisen«, fuhr der Savoyarde fort. »Ihr bekommt einen Geleitschutz gestellt, den nicht einmal die angelsächsische Armee angreifen würde. Adieu , Graf. Sollte ich je wieder Euren Namen hören, dann fürchte ich, wird es sich um die Nachricht von Eurem Ableben handeln – sollte dies vor dem meinigen eintreten.«
    * * *
    Es war kalt in Florenz, und es regnete bereits seit Wochen. Erst in San Martino lichteten sich die Wolken. Der Arno war zu einem tosenden Fluss angeschwollen und hatte viele Boote von den Ankerplätzen gerissen und fortgeschwemmt. An der Mündung von Arno und Ombrone hatten sie sich mit dem Treibholz verfangen und eine Art Damm aufgetürmt. Innerhalb weniger Stunden waren die Niederungen überflutet. Die Gewalt der Schlammmassen hatte Bauernhöfe und Häuser zerstört und Tausende von Tieren mit sich gerissen. Als die Regenfälle aufhörten, tauchten die aufgedunsenen Kadaver langsam an die Wasseroberfläche, und riesige Rattenkolonien taten sich an ihnen gütlich. Die Menschen wussten, dass sich dort, wo die Ratten in großen Mengen auftauchten, auch die Pest einnisten würde. In Pistoia würde sie ausbrechen und dann in die anderen Städte in der Nähe einfallen. In Florenz hatte der Hauptmann der Stadt bereits angeordnet, die Tore der Stadt zu schließen. Innerhalb der Mauern lebten die Menschen in Angst und Schrecken: Wer hustete oder sich schlecht fühlte – und wenn es nur wegen der Kälte war –, riskierte eine Anzeige und wurde unverzüglich in ein Lazarett verschleppt, in dem selbst die Gesündesten krank wurden.
    Die französische Kompanie ritt direkt nach Fiesole, bis zur Villa Giovannis, von wo er im Frühling so hoffnungsfroh aufgebrochen war. Ferruccio und Leonora erwarteten ihn bereits.
    * * *
    Zwei Tage später, am vierzehnten November, ließ Papst Innozenz in Rom neben dem Siegel von Kaiser Maximilian das seinige anschlagen und beendete damit den Krieg zwischen der Republik Venetiens und dem mächtigen Herzog von Tirol. Sein Ansehen war gestiegen, und die französische Krankheit, unter der er litt, schien zurückzuweichen. Rodrigo Borgia gefiel die neue Allianz zwischen

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