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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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anderes tun, Zugel. Es gibt keinen anderen Käufer. Wir gehen davon aus, dass Sie einen anderen Bieter hatten, aber da Sie sich nun an uns wenden, muss irgendetwas schiefgegangen sein. Ich nehme sogar an, dass Sie wegen des geplatzten Deals auch alle Brücken hinter sich abbrechen müssen. Wir sind Ihre einzige Rettung.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, stieß Zugel abfällig hervor. »Vergessen Sie nicht, ich bin ein Offizier des Deutschen Reiches, und ich …«
    »Zugel, nun sind Sie es, der mich für dumm verkauft. Hören Sie auf damit. Sie sind einer viel größeren Gefahr ausgesetzt als ich, denn Sie könnten jeden Moment von irgendjemandem hier wiedererkannt werden. Ich kann Sie jedoch beruhigen. Es ist auch in unserem Interesse, dass wir diese Sache schnellstmöglich hinter uns bringen.«
    Zugel wollte antworten, aber ein Milizsoldat schrie mehrmals laut ›Ruhe!‹, und sofort drehte der Barmann willfährig das Radio lauter. Die Stimme, die aus dem Radio ertönte, hätte eigentlich Respekt einflößend und militärisch wirken sollen, aber die voll aufgedrehten Lautsprecher machten aus ihr nur ein undeutliches Gekrächze. Alle erhoben sich von ihren Plätzen, auch de Mola und Zugel. Nicht aufzustehen, wäre einer Beleidigung gleichgekommen, und sie wären nur unnötig aufgefallen. Das aber konnten und wollten sie sich nicht erlauben.
    »Schwerwiegende Tat … begangen … junger jüdischer Fanatiker … Botschaftssekretär Rath … Meuchelmord … sofortige Reaktion … deutsche Kameraden … infames jüdischen Volk … endlich alle Synagogen zerstört … München … der Protest eskaliert … mehr als 300 Verschwörer … von einer Gruppe Patrioten getötet … 26.000 Verschwörer … Arbeitslager … München ist befreit! Es lebe der Duce!«
    »Jawoll!«, schrie der Soldat.
    »Jawoll«, antworteten alle zusammen.
    »Ruhe! Der Duce spricht!«
    Die unverwechselbare Stimme des Faschistenführers, die so oft imitiert wurde, erfüllte die Kaffeebar. Der ein oder andere nahm seinen Hut ab, andere hoben den rechten Arm zum Hitlergruß, und einer Frau standen die Tränen in den Augen, während sie sich am Arm ihres Mannes festhielt.
    »Italiener … deutsche Kameraden … sie haben korrekt reagiert … große Trauer … vorbildliche Aktion … sofortige Vergeltung …«
    »Stell endlich das verdammte Radio besser ein!«, schrie der Milizsoldat, »man versteht ja überhaupt nichts!«
    Der Barmann versuchte, die richtige Wellenlänge zu finden, aber es gelang ihm nicht. In seiner Verzweiflung haute er kräftig auf den Apparat – und endlich war die Stimme Benito Mussolinis klar und deutlich zu vernehmen. Mittlerweile war er bei seinen letzten Sätzen angelangt.
    »Wir haben im letzten Jahr die Reinhaltung unserer Rasse durch die Abschaffung der Mischehen mit Erfolg gebannt, und wir werden weitere Maßnahmen ergreifen, nach dem Vorbild unserer deutschen Brüder, die unserem Herzen immer näher stehen. Mit diesen Maßnahmen erhalten wir das italienische Volk, dessen Reinheit der Grundstein des römischen Imperiums war. Denen aber, die mit ihren niederen Instinkten unsere Reichtümer, unsere Freiheit und das Vaterland selbst bedrohen, werden wir mit aller Macht Einhalt gebieten.«
    »Ja ja ja!«, schrie der Milizsoldat.
    »Ja, ja!«, antworteten im Chor die Anwesenden, um sich dann wieder ihren Getränken zu widmen.
    »Abschaffung der Mischehen? Welcher Mischehen?«
    Zugel schaute de Mola fragend an.
    »Im letzten Jahr wurde ein Gesetz erlassen, das Ehen zwischen Italienern und Frauen aus den afrikanischen Kolonien verbietet und auch das Halten von Konkubinen. Nun ja … wir sind eben eine billige Kopie der Deutschen.«
    »Wir werden siegen.«
    De Mola schaute Zugel über seinen Brillenrand hinweg an. In seinem Blick war weder Ironie noch Befriedigung zu lesen.
    »Wenn Sie sich dessen so sicher wären, dann säßen Sie heute nicht hier.«
    Zugel wollte etwas erwidern, aber de Mola kam ihm zuvor.
    »Auf Wiedersehen, Herr Zugel, wir sehen uns hier, zur selben Zeit, am ersten Dezember.«
    »Und was mache ich bis dahin?«, blaffte der Deutsche zornig.
    »Verstecken Sie sich, Zugel, und beschützen Sie das Manuskript.«
    De Mola ging zur Kasse und zahlte mit einem Fünf-Lire-Schein. Den Rest ließ er als Trinkgeld für die hübsche Kassiererin liegen. Bevor er die Kaffeebar verließ, warf er Zugel, der sitzen geblieben war, noch einen letzten Blick zu. Er sah, wie sich dieser auf die Lippen biss. Das Geld war zum Glück kein

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