Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
Vom Netzwerk:
atmen!«
    »Und wer glaubt Ihr, hat das alles erschaffen? Wenn Gott uns Menschen alle als Engel im Himmelreich wollte – dann hätte er uns schon lange zu sich geholt. Er will uns aber auf Erden wandeln und uns mit unserer Schuld leben sehen, die uns niemand vergeben kann!«
    »Girolamo! Wo ist mein teurer Freund, der immer die richtige Antwort weiß? Mein Freund mit der freundlichen, aber scharfen Zunge und dem ansteckenden Lächeln? Nehmt Euch in acht, mein Freund, Eure Thesen über die Schuld könnten für ein unredliches Ohr nach Häresie klingen.«
    »Ich werde lachen und scherzen, wenn alles vorbei ist. In Florenz weiß man bereits, dass Ihr die Thesen veröffentlicht habt, und es brodelt: Vor allem die Medici warten mit Ungeduld auf die Lektüre, aber auch die Fornabuoni sind gespannt, die Strozzi, die Salviati und sogar die dem Mächtigen feindlich gesinnten Familien wie die Albizzi und die Pazzi. Auch Poliziano kann es kaum erwarten, Eure Conclusiones zu lesen, und er lässt verlauten, dass es auf der Welt sonst niemanden gibt wie Euch.«
    »Angelo … wie sehr fehlt mir seine Freundschaft und Gegenwart.«
    Benivieni fuhr fort:« Also, alle sind wissbegierig und wollen erfahren, was der Geist Mirandolas geschaffen hat. Die einen, um Euch zu huldigen, die anderen, um Euch zu kreuzigen.«
    »Und was sagt Savonarola?.«
    »Er lässt Euch ausrichten, dass Ihr Euch vor dem Jupiterfest im März in Acht nehmen sollt und dass er Euer Buch verbrennen wird, wenn es dem Papst nach dem Munde redet.«
    Graf Mirandola lachte, und sein Freund konnte nicht anders, als in das Gelächter mit einzustimmen. Benivienis Liebe für den Autor der Thesen bereitete ihm große Angst und Sorgen, aber nicht einmal wenn es der liebe Gott von ihm verlangt hätte, hätte er auf diese Freundschaft verzichten können. Er nahm den Kelch mit Wein, den ihm Mirandola angeboten hatte, und schaute ihm tief in die Augen.
    »Woran denkt Ihr?«, fragte der Graf. »Wenn Ihr diesen Ausdruck in den Augen habt, dann weiß ich, was ich wirklich zu fürchten habe.«
    »Ich dachte an Eure Geburt.«
    »An meine Geburt? Ihr wart erst zehn Jahre alt und schon eine Amme?«
    »Wie schön wäre es gewesen, wenn ich Eure Geburt hätte erleben dürfen. Mir geht die Feuerkugel durch den Kopf, die über Eurem Haupte erschien, und ihre Bedeutung.«
    »Meine Kugel: Sie ist Segen und Verdammnis in einem. Wenn ich sie suche, entzieht sie sich, und wenn ich nicht an sie denke, bricht sie wie ein Meteor über mich herein.«, sagte der Graf seufzend.
    »Ihr seid ein Vorbestimmter, Giovanni, ich weiß es, ich fühle es.«
    Der Graf nahm einen Schluck aus dem Kelch.
    »Vorbestimmt wofür? Ich habe nur eine Aufgabe zu erfüllen, und zwar die, meine Thesen bekannt zu machen. Das ist meine einzige Bestimmung.«
    »Mag sein. So Gott es will … Und wenn die Welt erfährt, was Ihr zu sagen habt, glaube ich, dass Euch viele mit dem Propheten Ezechiel vergleichen werden, der die Verkündigung der Worte unseres Herrn durch den Feuerwagen beschrieb. Es ist wichtig, dass Ihr nicht auf diesem Feuer endet. Denn in Europa lodern bereits viele Feuer.«
    »Ich bin kein Prophet, und ich werde durch kein Feuer umkommen. Der Tod selbst wird mich holen«, sagte Mirandola und runzelte nachdenklich die Stirn. »Wenn ich die Feuerkugel benutzen könnte, wie es mir beliebt, dann würde ich sie jedenfalls gegen die verfaulten Missgeburten schleudern, die über die Seelen Roms herrschen.«
    Er sah Girolamo Zustimmung heischend an. Als dieser nickte, stand Pico auf und ging in ein kleines holzgetäfeltes Studierzimmer. Er öffnete eines der Kabinettschränkchen und bediente den Mechanismus, der das Geheimfach aufschnappen ließ.
    »Hier steht alles geschrieben«, sagte der Graf, auf einmal ernst. Er holte das Manuskript hervor, dessen Seiten zusammengeklebt waren, und legte es auf den Tisch.
    »Erzählt mir mehr davon«, bat Benivieni und nahm Platz, »mir scheint es, als würde ich immer noch zu wenig darüber wissen.«
    Er wusste instinktiv, dass ein Gespräch über die Conclusiones der Schlüssel zur Erkenntnis war, der jedem weiteren Disput ein Ende machen würde. Und er wusste, dass dieser Text den Ursprung der Menschheit erklären würde, den wahren Ursprung, der alle Völker dieser Erde vereinen könnte. Und er würde von dem Wesen sprechen, von der Quelle des Lebens, dem Geheimnis allen Ursprungs, das seit Anbeginn der Schöpfung über das Universum herrschte.

Florenz und Rom
    Sonntag, 7.

Weitere Kostenlose Bücher