999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
Eminenz.«
»Seine sogenannte Eminenz in Spanien ist nicht zu freundschaftlichen Gefühlen fähig und hat damit auch keine Freunde: Seine Beziehungen beschränken sich auf diejenigen, die schützen oder beschützt werden – und auf Feinde.«
»Sagen wir also, dass Monsignore Garcia einer seiner Protegés ist.«
»Schon besser, Sansoni. Sei kein Schlitzohr und versuche mich nicht hinters Licht zu führen! Ich bin immer noch der Papst und noch lange nicht tot. Nun gut, sei es, wie es sei – die Liste ist in Ordnung. Du kannst die Ernennungen vorbereiten. Und sag allen Richtern, dass ich das Urteil bis Februar haben will.«
»So geschehe es.«
»Geh nun und rufe den Grafen Mirandola zu mir, ich will mit ihm sprechen.«
»Eure Heiligkeit?«
»Du hast ganz genau gehört, Sansoni. Wieso hast du bis jetzt alles verstanden, und nun, wo ich nach Mirandola verlange, tust du so, als seiest du taub?«
»Weil … Eure Heiligkeit … das mit der Untersuchung seines Buches, dem Verdacht der Häresie, die Sache mit dem Konzil … das alles erscheint mir nicht angebracht, wenn Ihr mir diese Bemerkung erlaubt.«
»Sansoni, du wirst es nie zum Papst bringen. Und weißt du auch, warum?«
Der Kardinalvikar schaute Innozenz verstohlen an: »Weil ich nicht genügend Verdienste vor unserem Herrn und Eurer Heiligkeit erworben habe«, sagte er leise.
Innozenz lachte aus vollem Halse. »Du bist ein guter Diener, Sansoni«, antwortete er, »und du wirst auch noch dem nächsten Papst dienen: ein einziger Kardinalvikar für drei Päpste! Du bist aus dem richtigen Holz geschnitzt, glaube mir. Aber du wirst nie Papst werden, weil du kompromisslos Grenzen siehst: Zwischen richtig und falsch, gut und böse, gerecht und ungerecht. Ein Papst handelt anders: Er muss über Grenzen hinwegsehen, ja, er darf nicht einmal wissen, dass es sie gibt. Und folglich muss er nach den Regeln handeln, die er sich selbst gegeben hat. Hast du verstanden?«
»Nein, Eure Heiligkeit, aber es ist gewiss so, wie Ihr sagt.«
»Brav, Sansoni, nun geh. Ich will Mirandola hier haben – und zwar gleich morgen früh.«
* * *
»Du darfst nicht gehen. Ich bin mir sicher, dass es eine Falle ist.«
Girolamo Benivieni lief nervös auf einem wertvollen türkischen Teppich auf und ab. Das Teppichmuster bestand aus einem achtzackigen Sternenrand auf rotem Grund, und in der Mitte war ein stilisierter Baum in einem großen Gefäß dargestellt.
»Wenn Ihr meinem Gastgeber den Teppich ruiniert, wird er mich davonjagen. Und dann werde ich wirklich im Unglück sein.« Giovanni Pico schien überhaupt nicht besorgt zu sein angesichts der dringlichen Aufforderung, umgehend im Vatikan vorstellig zu werden.
»Kardinal de’Rossi wird schwerwiegendere Probleme haben, wenn er erst beschuldigt wird, einem Häretiker die Gastfreundschaft gewährt zu haben«, wandte Benivieni ein.
»Vielleicht will er mich mit einer Auszeichnung belohnen.«
»Er kann Euch aber auch so gut wie mit allem beschuldigen: Der Entführung Margheritas, von der Ihr Euch im Übrigen fernhalten solltet, der Veröffentlichung der Thesen und wer weiß noch welcher Missetaten, die – wenn er es will – bestens erfinden kann. Ihr habt Euch so viel zuschulden kommen lassen, dass man Euch jede Straftat anhängen könnte.«
»Ja, Ihr habt Recht, Girolamo. Ich werde versuchen, ernsthaft zu sein, obwohl mich seine Launen, die ich sogar schätze, zum Lächeln bringen. Dies ist eine Einladung, der ich mich nicht entziehen kann. Eine Flucht käme einem Schuldeingeständnis gleich. Und sie wäre gleichsam eine Einladung, mich für Missetaten zu beschuldigen, die ich nie begangen habe.«
Giovanni sah ihn an, aber Girolamo wich seinem Blick aus und nahm Platz.
»Wisst Ihr eigentlich«, fragte der Graf ernst, »warum sich in diesem überaus katholischen Hause eines überaus katholischen Kardinals dieser rote Teppich mit achtzackigen Sternen befindet?«
»Nein, aber Ihr werdet es mir sicher gleich sagen.«
»Weil unser Gastgeber«, antwortete ihm Giovanni flüsternd, »obwohl er einer der ersten Kirchenväter ist, ein großer Unwissender ist. Ihm hat einfach das Muster des Teppichs gefallen, er hat aber nicht die Bedeutung erkannt – sonst hätte er ihn wohl kaum in sein Haus gebracht. Nicht einmal geschenkt hätte er ihn genommen.«
»Erklärt es mir, Giovanni, ich verstehe nicht.«
»Der Stern mit acht Zacken ist ein Oktagon und symbolisch also die Verdoppelung der Vier. Es stellt das geheime Wissen und das
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