Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
Vom Netzwerk:
profan. Ferruccio bestellte Getränke und Speisen direkt auf ihr Zimmer, das gut und gerne vier weiteren Reisenden Platz geboten hätte; Ferruccio hatte jedoch darauf bestanden, es allein zu nutzen, und einen Aufpreis dafür bezahlt. Während sie das Feuer im großen Kamin anfachten, klopfte ein Diener schüchtern an die Tür und brachte eine Karaffe Rotwein und einen Auflauf aus Lamm- und Wildschweinfleisch, das – dem Schild nach zu urteilen – wohl die Spezialität des Kochs war.
    »Graf«, sagte Ferruccio, nachdem sie eine Weile stumm gegessen hatten, und tunkte noch einige Brocken Brot in die Soße, »darf ich Euch fragen, warum Ihr den Mächtigen so viel wert seid? Es ist Euer gutes Recht, auf diese Frage nicht zu antworten, ich frage aus reiner Neugierde.«
    Giovanni zögerte einen Augenblick, aber dieser Mann gefiel ihm, und deshalb entschloss er sich, ihm ehrlich zu antworten.
    »Es war ausgerechnet meine Neugierde, die mich in diese Schwierigkeiten brachte, aber das wird Euch nie passieren, Ferruccio. Trotzdem würde ich es immer wieder tun. Auf jeden Fall erzähle ich Euch, was ich weiß. Schuld an der Sache haben ich und ein Buch, das ich geschrieben habe.«
    »Das Buch, das Ihr mit Euch führt?«
    »Ich habe kein Buch bei mir.«
    »Graf, Ihr seid der Erste, den ich mit Gefallen verteidigt habe. Ihr seid wach, intelligent, redet nicht mehr, als sein muss, und tut niemals etwas ohne Grund. Nichts kann Euch überraschen – Ihr besitzt die Weisheit eines Greises, und man möchte meinen, Ihr würdet bereits seit vielen Jahren leben, obwohl Ihr noch so jung erscheint.«
    »Ich danke Euch, auch ich bewundere Euch für Euren Mut und Eure … Fähigkeiten.«
    »Ihr seid Euch aber noch nicht sicher, ob Ihr mir vertrauen könnt, nicht wahr? Ich verstehe Euch, aber ich habe schon vor einiger Zeit den Kupferzylinder bemerkt, auf den Ihr aufpasst, als enthielte er die Reliquien unseres Erlösers. Er ist nicht verschlossen, er enthält keine Flüssigkeit, er macht ein Geräusch wie ein Knüppel, ist aber keine Waffe. Ich kann verstehen, dass Ihr nicht mit mir darüber sprechen wollte, aber, ich bitte Euch, scherzt nicht mit mir. Mit Verlaub, wenn es mein Auftrag gewesen wäre, es in meinen Besitz zu bringen, hätte ich dies längst getan. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
    Mirandola hatte den Worten seines Reisebegleiters aufmerksam zugehört. Dieser nagte bereits wieder genüsslich an dem fetttriefenden Wildschweinknochen.
    »Im Talmud der jüdischen Tradition, in denen die Gespräche zwischen Studierenden und Lehrern zitiert werden, steht geschrieben, dass nicht die Heiligen im Recht sind, sondern die, die im richtigen Moment das Richtige tun«, sagte Giovanni ernst.
    Ferruccio nahm den Knochen aus dem Mund und schluckte seinen Bissen hinunter.
    »Interessant«, sagte er bloß. »Seid Ihr Jude?«
    »Nein, aber würde das etwas für Euch ändern?«
    »Nein, ganz im Gegenteil, vielleicht hätte ich dann noch mehr Sympathie für Euch.«
    »Seid Ihr Jude?«
    »Nein, aber es gibt Tage, an denen ich es gerne wäre.«
    »Ihr habt mir die Antwort gegeben, die ich hören wollte, und nun gebe ich Euch die meine. Aber es ist eine lange Geschichte, Ferruccio. Wollt Ihr sie wirklich hören?«
    »Wir haben Zeit, Graf, auch wenn sie uns jemand wegnehmen will.«
    Giovanni schenkte sich etwas Wein ein und trank langsam einen Schluck.
    »Ich werde versuchen, Euch nicht zu langweilen«, setzte er an. »Nun, ich erzählte Euch bereits, dass alles mit einem Buch begann, das ich geschrieben habe, das ich jedoch wirklich nicht bei mir habe. Das Manuskript, das ich bei mir führe, ist die logische Konklusion des ersteren, das ich erst vor wenigen Wochen veröffentlicht habe, und die Summe dieser Bücher ist nicht zwei, sondern neunhundertneunundneunzig.«
    Amüsiert sah ihn Ferruccio an. Er hatte nichts von dem, was Giovanni gesagt hatte, verstanden und zeigte dies ganz offen.
    »Ihr tut ganz recht daran, Euch zu wundern. Lasst es mich erklären: Das erste Buch, das ich geschrieben habe, führt zu der Konklusion, dass es keine wirklichen Unterschiede zwischen der christlichen und jüdischen Religion gibt. Indirekt kann man sogar daraus schließen, dass dies auch für die Anhänger Mohammeds gilt. Die Bibel, die Evangelien – und zwar alle, nicht nur die vier kanonischen – verbindet eines: Die Existenz eines einzigen wahren Gottes – den ich vorzugsweise ›Höheres Wesen‹ nenne. Auch die Prinzipien, Normen und Botschaften der

Weitere Kostenlose Bücher