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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Hilfe?«
    »Nehmen Sie so viele Leute, wie Sie wollen, aber selbst wenn Sie die Leute gar nicht einsetzen, werden die Marinesoldaten sauer, und wenn sie sauer werden, helfen die Leute sowieso nicht mehr.«
    Serge hielt mit offenem Mund inne, schloss ihn abrupt und ging. Erst jetzt bemerkte Bull Anna. »Was kann ich für Sie tun, Pastorin?«
    »Sagen Sie bitte Anna zu mir. Ich möchte mit Ihnen über Clarissa Mao sprechen.«
    »Wenn Sie nicht ihre Anwältin oder ihre Gewerkschaftsvertreterin sind …«
    »Ich bin ihre Seelsorgerin. Was wird jetzt mit ihr geschehen?«
    Bull seufzte wieder. »Sie hat gestanden, ein Schiff in die Luft gejagt zu haben. Seitdem kann sie nicht mehr mit Weihnachtsgeschenken rechnen.«
    »Die Leute sagen, Sie hätten einen Mann in den Weltraum geworfen, weil er Drogen verkauft hat. Es heißt, Sie seien hart und kalt.«
    »Sagt man das?«, antwortete Bull. Anna konnte nicht erkennen, ob die Überraschung echt oder ironisch war.
    »Bitte töten Sie sie nicht.« Anna beugte sich vor und suchte seinen Blick. »Sorgen Sie dafür, dass auch niemand anders sie tötet.«
    »Warum?« Die Frage war keine Drohung und nicht einmal abweisend gemeint. Es war, als wüsste er die Antwort nicht und sei neugierig, sie zu hören. Anna schluckte ihre Furcht herunter.
    »Ich kann ihr nicht mehr helfen, wenn sie tot ist.«
    »Nehmen Sie’s nicht persönlich, aber das ist wirklich nicht meine Sorge.«
    »Ich dachte, Sie vertreten hier Recht und Ordnung.«
    »Mir liegt vor allem die Ordnung am Herzen.«
    »Sie verdient einen fairen Prozess, aber wenn alle erfahren, was Sie über sie wissen, wird sie keinen bekommen. Es wird einen Aufstand geben. Man wird sie töten. Helfen Sie mir wenigstens dabei, dass sie ein Verfahren bekommt.«
    Der große Mann lachte. »Sind Sie auf ein Verfahren aus, oder wollen Sie einfach nur Zeit schinden?«
    »Ich will Zeit schinden«, antwortete Anna.
    Bull nickte, dachte über irgendetwas nach und winkte ihr, in sein Büro voranzugehen. Als sie vor dem ramponierten Schreibtisch saß, polterte er in dem kleinen freien Bereich herum und machte Kaffee. Angesichts der gerade verhängten Rationierung des Trinkwassers schien das eine Extravaganz zu sein, doch dann erinnerte Anna sich, dass Bull jetzt der zweitmächtigste Mensch in der langsamen Zone war. Die Privilegien eines hohen Ranges.
    Sie wollte keinen Kaffee, nahm die Tasse aber entgegen, um Bull seinen Moment der Großzügigkeit zu schenken. Eine Großzügigkeit jetzt konnte später eine weitere nach sich ziehen, wenn sie um etwas bat, das sie wirklich bekommen wollte.
    »Sobald Holden den Leuten erzählt, wer tatsächlich die Seung Un sabotiert hat – und er ist Jim Holden, also wird er es tun –, wollen die UN-Vertreter Clarissa haben. Wenn sie mir genug an die Hand geben, damit ich alle hierherholen und versorgen kann, bis wir aus der Falle entkommen, werde ich ihnen die Frau ausliefern, allerdings nicht außerhalb des Schiffs, sondern hier drin.«
    »Was werden sie tun?« Anna trank der Form halber einen kleinen Schluck Kaffee. Die Brühe verbrannte ihr die Zunge und schmeckte bitter.
    »Wahrscheinlich werden sie einen Gerichtshof aus Flaggoffizieren zusammenstellen, ein kurzes Verfahren veranstalten und sie in den Recycler werfen. Normalerweise würde ich sagen, dass man sie in den Weltraum schießen sollte, aber das scheint angesichts unserer schwierigen Lage eine Verschwendung zu sein. Die Vorräte, die aus der Heimat nachgeschickt werden, brauchen durch die langsame Zone bis zu uns noch einmal so lange wie von zu Hause bis zum Ring.«
    Er sprach ohne besondere Betonung und Gefühlsregung. Er dachte über logistische Probleme nach, nicht über das Leben einer jungen Frau. Anna unterdrückte ein Schaudern. »Mister Baca, glauben Sie an Gott?«
    Man musste ihm zugutehalten, dass er sich bemühte, nicht die Augen zu verdrehen. Beinahe gelang es ihm.
    »Ich glaube an alles, was mir hilft, die Nacht zu überstehen.«
    »Seien Sie nicht so selbstgerecht.« Erfreut stellte Anna fest, dass Bull sich in seinem Gehgestell ein wenig aufrichtete. Ihrer Erfahrung nach hatten die meisten Männer, die einen starken Willen besaßen, ebenso starke Mütter gehabt, und sie wusste genau, wie sie auf diverse Knöpfe drücken musste.
    »Hören Sie mal«, sagte Bull, um die Initiative zurückzugewinnen. Anna ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    »Vergessen Sie Gott für einen Augenblick«, fuhr sie fort. »Glauben Sie an die Idee der Vergebung? An die

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