Abbild des Todes
ihr Glück bei dem Lieferjungen. Sie wartete, bis er zurückkam, bevor sie ihn ansprach. “Hallo”, sagte sie fröhlich.
Der junge Mann musterte sie von oben bis unten. Dann grinste er. “Hey. Kennen wir uns?”
“Nein, aber ich überlege, ob Sie mir vielleicht helfen können.”
Noch ein langer Blick. “Für so ein heißes Babe würde ich fast alles tun.”
Zoe nahm das Kompliment mit einem Lächeln entgegen. “Arbeiten Sie schon länger als vier Monate bei
Blooms?”
Er hob die Augenbrauen. Das war vermutlich keine Frage, die er normalerweise gestellt bekam. “Im März ist es ein Jahr. Wieso?”
Sie hielt einen kleinen Zettel in der Hand, auf dem Lolas Name und ihre Adresse standen. “Während der Monate Juni, Juli und August dieses Jahres haben Sie jeden Montagmorgen ein Dutzend rote Rosen an diese Adresse geliefert. Erinnern Sie sich daran?”
Das freundliche Lächeln verschwand augenblicklich. Der junge Mann sah sie mit einem Mal an, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. “Was wäre, wenn?”
“Ich hatte gehofft, dass Sie mir den Namen des Versenders geben könnten.”
Er schüttelte vehement den Kopf. “Tut mir leid, Ma’am, das kann ich nicht machen.” In einer Minute war sie vom “Babe” zur “Ma’am” geworden.
“Es wäre ein Zwanziger für Sie drin.”
Er blinzelte nicht einmal. In diesem Teil der Stadt war ein Zwanzigdollarschein sehr wahrscheinlich etwas, womit man sich die Schuhe abwischte.
“Fünfzig?”
Er war zwar jung, doch er war nicht blöd. Er konnte sehen, wie dringend sie die Information benötigte. Nachdenklich kratzte er sich am Hinterkopf. “Ich kann dafür eine Menge Ärger bekommen, sogar meinen Job verlieren.”
“Hundert Dollar, das ist mein letztes Angebot. Ich muss mir meinen Lebensunterhalt auch verdienen.”
Die Antwort kam schnell. “Okay.”
Ohne ein weiteres Wort zog Zoe fünf Zwanziger aus der Tasche und faltete sie zusammen.
Er blickte sich hastig um, bevor er das Geld einsteckte. “Ich erinnere mich nicht an alle Namen unserer Kunden, aber an den erinnere ich mich, weil Mrs. Ledoyenne, das ist meine Chefin, mir erzählt hat, dass der Kerl ein wöchentliches Trinkgeld in Höhe von zwanzig Dollar für mich dazugelegt hat. Das ist mehr, als ich sonst im ganzen Monat an Trinkgeld verdiene. Es tat mir leid, als ich dann hörte, dass der Auftrag storniert wurde.”
Zoe lächelte geduldig. “Daran würde ich mich auch erinnern.” Sie legte ihren Kopf fragend auf die Seite. “Und der Name?”
“E.J. Greenfield.”
41. KAPITEL
Z oe bahnte sich ihren Weg durch den weihnachtlichen Passantenstrom, ohne das Gedrängel richtig wahrzunehmen. E.J. hatte sie belogen. Nicht nur einmal, sondern zweimal. Und er hatte es so überzeugend getan, dass sie nicht den leisesten Zweifel daran gehabt hatte, dass er ihr die Wahrheit sagte.
Dachte er, sie würde es nicht herausfinden? Anzunehmen. Wie hoch standen auch die Chancen, dass sie einen Blumenlieferanten am anderen Ende der Stadt ausfindig machen würde?
E.J. und Lola Malone.
Wie sehr sie es versuchte, sie konnte sich die beiden nicht zusammen vorstellen. Er war ein kleiner dicklicher Mann mittleren Alters mit erwachsenen Kindern, einer Vorliebe für kubanische Zigarren und einer Frau, die im Kirchenchor sang. Sie war eine junge, wunderschöne, attraktive Venus, die einen Mann wie E.J. niemals erhören würde.
Also warum schickte er ihr jede Woche ein Dutzend rote Rosen und bezahlte dem Lieferanten sogar noch zwanzig Dollar Trinkgeld, um sicherzustellen, dass sie jeden Montag um exakt dieselbe Uhrzeit ausgeliefert wurden? Natürlich, es war möglich, dass er nur ein glühender Verehrer war, der einer talentierten Künstlerin auf diesem Wege seine Bewunderung ausdrückte, aber das kaufte Zoe ihm nicht ab. Männer investierten nicht einfach so viel Geld, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Und wenn E.J.s Motive derart unschuldig waren, wieso hatte er ihr dann nicht die Wahrheit gesagt, als er die Gelegenheit dazu hatte?
Was eine weitere beunruhigende Frage aufwarf: Wobei hatte er noch gelogen?
E.J. musste in dem Moment, als Zoe unangemeldet und ohne ein Lächeln auf den Lippen sein Büro betrat, gespürt haben, dass etwas nicht stimmte.
“Zoe.” Er stand auf und kam um seinen Tisch herum, um sie zu begrüßen. “Ist alles in Ordnung?”
“Können wir uns setzen?”
“Natürlich.” Er wollte ihren Arm nehmen, um sie zu einem der Stühle an seinem Schreibtisch zu führen, doch sie
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