Abbild des Todes
“Lizzy?”
“Joe Santos.”
Eine verlegene Röte überzog ihre Wangen. “Joe? Warum?”
“Weil er sich Sorgen darum gemacht hat, dass du das Ganze viel zu schwer nimmst.”
“Er hatte kein Recht, sich da einzumischen.”
“Ich bin froh, dass er es getan hat.” Er nahm etwas aus seiner Tasche und legte es auf die Arbeitsplatte. Es war eine Videokassette.
Sie starrte auf die Kassette. “Was ist das?”
“Zwei Stunden lang Lola Malone in ihrem Element – als Entertainerin. Es ist eine Kopie des Videos, das sie vor ungefähr einem Monat als Vorbereitung auf ein Vorsprechen am Broadway gemacht hat.”
“War sie eigentlich Schauspielerin?”
“Anwärterin, sozusagen. Sie hat die Rolle nicht bekommen. Das hat sie nie – aber sie ist ein Stehaufmännchen. Ein paar Absagen können sie nicht umhauen.” Er blickte auf die Kassette. “Eine Fernsehreporterin war an dem Abend im Publikum und hat Lola nach der Show interviewt. Ich habe das Interview ans Ende der Kassette gehängt, damit du einen Einblick bekommst, wie sie war.”
Zoe sah von der Kassette zu Rick. “Ich weiß nicht, was ich sagen soll.”
“Sag, dass du nichts Verrücktes tun wirst, wie zum Beispiel potenziell gefährliche Leute zu verfolgen.”
“War Lola mit gefährlichen Typen befreundet?”
“Nicht dass ich wüsste.”
“War sie verheiratet?”
“Nein, aber sie hat sich mit jemandem getroffen. Ich weiß aber nicht, mit wem”, nahm er die Antwort auf ihre nächste Frage vorweg. “Lola hat darüber nicht gesprochen.”
“War es jemand, den sie im Club kennengelernt hatte?”
“Möglich. Aber sie hatte genügend Freizeit, sodass sie ihn eventuell auch außerhalb des Clubs getroffen haben könnte.”
“Hat irgendeiner ihrer Zuschauer besonderes Interesse an ihr gezeigt?”
Rick lachte. “Zoe, jeder Mann, der ins
Blue Moon
kam, war hingerissen von ihr, dein Chef eingeschlossen.”
Langsam stellte Zoe ihren Becher ab. “E.J.?”
“Jawohl. Elijah selbst. Ich habe ihn aufgrund eines Fotos wiedererkannt. Eine Weile kam er sehr regelmäßig, aber dann auf einmal nicht mehr. Hat er dir das nicht erzählt?”
Verblüfft schüttelte sie den Kopf. Der Verleger hatte nichts davon erwähnt, dass er Lola Malone kannte. “Nein. Wie lange ist das her?”
“Oh, vielleicht vier oder fünf Monate.”
Kleine Erinnerungsfetzen aus der Nacht, als sie die Frau entdeckt hatte, schossen ihr durch den Kopf. E.J.s Sorge, dass die Frau jemand war, den er kannte. Seine ungewöhnliche Schweigsamkeit, als Zoe den beiden Polizisten eine Personenbeschreibung gegeben hatte. Sein Zögern auf ihre Bitte, eine Zeichnung der Frau im
Herald
abzudrucken. Nichts davon war ihr zu dem jeweiligen Zeitpunkt komisch vorgekommen. Aber jetzt …
Rick beobachtete sie. “Du verdächtigst doch nicht deinen Chef, etwas mit der Sache zu tun zu haben, oder? Er wirkt wie ein netter Kerl, aber er ist wohl kaum Lolas Typ.”
“Was ist ihr Typ?”
Er dachte einen Moment lang nach. “Sie ist verrückt nach George Clooney.”
Wer nicht?, dachte Zoe. “Was kannst du mir noch über sie erzählen?”, fuhr sie fort.
“Lass mich überlegen. Sie ist ein Einzelkind. Ihre Eltern starben, als sie elf war, und sie wurde von einer Tante aufgezogen, die jetzt in einem Pflegeheim in Upstate New York lebt. Du hast vielleicht schon mal von ihr gehört – Frieda North.”
“Die Broadway-Schauspielerin? Die dreimal den Tony gewonnen hat?”
Rick nickte. “Genau die. Heute würde man sie wohl nicht wiedererkennen.”
“Was hat sie denn?”
“Sie ist demenzkrank. Außer in seltenen klaren Momenten erinnert sie sich an gar nichts mehr. Ihre Krankheit war ein harter Schlag für Lola.”
“Hat Lola sie oft besucht?”
“Jeden Samstag fährt Lola in das Heim. Die beiden Frauen unterhalten sich für einige Stunden, auch wenn Lola die meiste Zeit redet.”
“Worüber sprechen sie?”
“Über alles, von dem Lola glaubt, dass es eine Reaktion hervorrufen könnte – die Vergangenheit, ihren Job im
Blue Moon
, die Vorsprechen, zu denen sie geht.”
“Den Mann, den sie liebt?”
“Vielleicht.”
“Könntest du es arrangieren, dass ich Frieda besuchen kann? Ich würde mich gerne mit ihr unterhalten.”
Rick schüttelte den Kopf. “Lola würde das nicht wollen. Frieda regt sich in letzter Zeit sehr leicht auf, und der Besuch eines Fremden könnte zu viel für sie sein.”
“Aber Frieda ist vielleicht die Einzige, die die Identität des mysteriösen Freundes
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