Abby Cooper 01 - Detectivin mit 7. Sinn
grünen Daumen. Wir hatten uns gleich angefreundet, nachdem ich in mein Haus eingezogen war. Sie wohnte zwei Türen weiter in einem Doppelhaus, das sie mit einer anderen Frau teilte.
Eines Nachmittags, als sie meinen jämmerlichen, stark vernachlässigten Vorgarten betrachtet hatte, gab sie mir einige gärtnerische Ratschläge. Darauf bemerkte ich lachend, ich hätte einen braunen Daumen, und sie bot mir an, sich mit ihrem Können zu einem sehr vernünftigen Preis nützlich zu machen. Ich ging sofort darauf ein.
Sie arbeitete tagsüber bei einem Landschaftsgärtner. Wenn bei einem Auftrag Pflanzen übrig blieben, wurden sie gewöhnlich auf den Abfall geworfen, häufig aber von Mary Lou gerettet und nach Hause mitgenommen, wo sie nach einem geeigneten Plätzchen für sie suchte. Mein Grundstück war praktisch eine nackte Arbeitsfläche für ihr gestalterisches Genie.
»Hallo«, rief ich winkend, als ich an ihr vorbei zur Garage fuhr.
»Hi, Abby, wie findest du es?«, fragte sie und gab den Blick auf meine neuen Chrysanthemen frei.
»Prachtvoll. Ich bin gleich bei dir.«
Ich fuhr in die Garage, hob die Einkaufstüten aus dem Kofferraum und schleppte sie zum Fußweg, wo Mary Lou ihre Werkzeuge einsammelte. Sie erinnerte mich ein bisschen daran, wie ich in ihrem Alter gewesen war. Sie hatte etwa meine Größe, schulterlange braune Haare und einen durchtrainierten Körper. Sie hatte eine Beziehung mit einem gewissen Chad, die ständig auseinanderging und wieder gekittet wurde. Ich war ihm einmal begegnet und fand ihn sofort unsympathisch. Er redete von sich in der dritten Person, und ich habe nie begriffen, was Mary Lou an ihm fand.
»Wow! Du bist fleißig gewesen«, sagte ich, sowie ich um die Ecke bog.
»Ja. Wir haben heute bei einem Bürohaus gearbeitet, und uns ging der Platz aus. Von allen Farben ist etwas übrig geblieben. Ich fand, dein Weg sah ein bisschen langweilig aus.«
Ich fand, mein Weg sah aus wie alles an meinem Haus, das noch nicht erneuert worden war: schäbig. Doch die Chrysanthemen, die den rissigen Zement jetzt vom Bürgersteig bis zur Veranda säumten, brachten einen schäbigen Schick. »Ja, gefällt mir großartig. Vielen Dank, Mary Lou. Was schulde ich dir?«
»Wie wär’s mit einem Termin bei dir, und wir sind quitt?«, schlug sie mit gesenkten Lidern vor.
Das kam unerwartet. Sie wusste zwar über meine Arbeit Bescheid und fand, was ich von den Sitzungen erzählte, ziemlich unterhaltsam, hatte aber nie persönliches Interesse gezeigt. Manche Leute möchten gar nicht wissen, was sie um die Ecke erwartet, und andere fürchten, etwas zu erfahren, mit dem sie vielleicht nicht fertig werden. Ich sah sie prüfend an, und mein intuitives Telefon klingelte von Weitem. Mein Blick wanderte zu ihrem Oberarm. Sie hatte da einen dunklen Bluterguss, der aussah, als hätte sie jemand zu fest angepackt.
»Chad-Probleme?«, fragte ich und gab mir Mühe, meinen Groll nicht durchklingen zu lassen. Männer, die Frauen misshandelten, waren mir zuwider. Ich fand sie feige, sie waren absolut das Letzte.
»Nein, nein, gar nicht...« Der Satz verebbte. Lügner, Lügner! , schallte es in meinem Kopf. »Er hat nur, du weißt schon ... Wir sind zuletzt gar nicht mehr miteinander klargekommen, und ich überlege, ihm zu sagen, dass ich mit ihm Schluss machen will.«
»Mary Lou«, begann ich im sanftesten Ton, »du brauchst keine Sitzung bei mir, um herauszufinden, dass du jemand viel Besseren verdient hast als Chad.«
Das bereute ich, kaum dass es ausgesprochen war. Mary Lou ließ den Vorhang fallen und straffte die Schultern. »Nein, er ist wirklich ein prima Kerl. Er kauft mir Sachen und gibt mir Geld und nimmt mich öfter mal mit. Er hat ein gutes Herz. Nur wenn er mit seinen Freunden zusammen ist, wird er quasi ein anderer Mensch. Aber eigentlich ist er ein prima Kerl.«
Ich gab klein bei. »Sicher, sicher, wahrscheinlich hast du recht. Ruf mich einfach morgen in der Praxis an, dann gebe ich dir einen möglichst nahen Termin, einverstanden?«
Ohne mich anzusehen, sagte sie: »Ja, okay«, und ich wusste, sie hatte es sich anders überlegt.. Sie nahm ihre Geräte und Eimer und winkte zum Abschied. Während ich ihr hinterhersah, wie sie über meinen Rasen zu ihrem Haus hinüberging, widerstand ich dem Drang, ihr nachzulaufen und zu sagen, was für eine wunderbare, intelligente, schöne Frau sie sei. Denn Frauen wie Mary Lou hörten nicht auf Frauen wie mich. Sie schienen nur auf Männer wie Chad zu
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