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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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angreifen«, meinte Gomulka, »setzen wir uns ins Unrecht.« – »Quatsch!« sagte Wolzow und langte nach der Gesäßtasche. Er blätterte in seinem Taschenbuch. »Als die Schweden unter Gustav Adolf 1629 nach Deutschland zogen, da sprach Gustav Adolf vor dem schwedischen Reichstag die historischen Worte: ›Meine Meinung aber ist, daß ich zu unserer Sicherheit, Ehre und endlichem Frieden nichts dienlicher befinde als einen kühnen Angriff auf den Feind.‹«
    Sie trafen Vorbereitungen. Wolzow und Holt schwänzten den Rest des Deutschunterrichts und schnitten Wolzows Aktentasche zu Lederriemen, die sie an stabile Knüttel nagelten. Wolzow riebdie Klopfpeitschen mit Lederfett ein, ehe er sie in seinem Spind versteckte.
    Es schneite seit mehreren Tagen. Die schnellen Kampfverbände, die nun jede Nacht nach Berlin flogen, waren in den letzten Nächten schon über Holland abgedreht. Auch diesen Abend sah es nicht nach Alarm aus, denn am Nachmittag erhob sich ein Schneesturm.
    Vetter und Rutscher machten mit. Rutscher waren im Revier die Mandeln herausgenommen worden, worauf er kaum noch stotterte. »Warum nicht gleich!« hatte Wolzow gesagt. Nach dem Stubendurchgang sprangen sie aus den Betten und zogen sich wieder an. Der kleine Kirsch, der in Berta wohnte und für Wolzow spionierte, meldete: »Sie sind schlafen gegangen!« – »Stahlhelme auf!« befahl Wolzow. Ziesche sah entgeistert zu. Wolzow erklärte: »Jetzt müssen deine Oberhelfer einen heiligen Eid schwören, daß sie uns in Ruhe lassen, sonst demolier ich ihnen die ganze Bude! Du bleibst im Bett!« befahl er schroff. »Kirsch, du bürgst mir dafür, daß der Ziesche nicht aus der Stube geht!«
    Sie schlichen im Bogen um Baracke Cäsar herum und näherten sich dann Berta von Norden. Sie drangen durch den Korridor in die große Stube. Wolzow schaltete Licht ein. Rutscher und Vetter schoben sofort den Tisch vor die Tür, die sich nach außen öffnen ließ.
    Die Hamburger saßen erschreckt in den Betten. »’n Abend«, sagte Wolzow. »Hab gehört, die Herren wollen uns überfallen, mit Übermacht?«
    »Mach, daß du rauskommst!« rief jemand verschlafen.
    »Maul halten!« brüllte Wolzow. »Ehrenwort, daß wir vor einem nächtlichen Überfall sicher sind? Wird’s bald?«
    Günsche glotzte von unten verdattert auf Wolzow, der bedrohlich nahe stand, und sagte schwach: »Wir lassen uns nicht erpressen!«
    »Also schön, dann nicht!« rief Wolzow mit wüster Stimme. »Die beste Verteidigung ist der Angriff, sagt Schlieffen! Los, Männer!« Und während Holt und die anderen mit den Peitschen auf die überraschten Hamburger einhieben, nahm Wolzow daszentnerschwere Aquarium – ein Schrei des Entsetzens wurde laut –, hob es hoch und schmiß es nach Günsches Bett. Günsche konnte gerade noch die Beine zur Seite reißen, dann knallte der große Glaskasten überschwappend gegen den Pfosten und zerschellte, daß das Bett wankte. Fünfzig Liter Wasser ergossen sich über Bettzeug und Boden, überall klirrten Glasscherben, und dazwischen sprangen und zappelten die Fische umher … Die Hamburger waren wie gelähmt. Holt hieb Wilde die Peitsche dreimal über den Rücken, ehe der auch nur eine abwehrende Handbewegung machte. Wolzow warf rücksichtslos die Spinde um, dann knallte er die Blumentöpfe an die Wand, die Tischlampe, Vasen und Aschenbecher folgten, ein Bild segelte wie ein Diskus durch die Luft und zersplitterte. Die anderen droschen erbittert mit den Klopfpeitschen um sich.
    Endlich hatten sich ein paar der Hamburger von ihrem Schreck erholt und sprangen aus den Betten. Aber sie trugen Nachthemden, die Peitschenhiebe fielen hageldicht, und sie waren barfuß, und überall lagen Glasscherben umher.
    Die Tür wurde aufgestoßen. Die Oberhelfer aus den anderen Stuben, gleichfalls im Nachthemd, wollten herein, der Tisch hinderte sie daran, und Vetter verteidigte mit Gomulka wie verabredet den Eingang. Unterdessen vollendete Wolzow sein Vernichtungswerk. Er zertrat den Holztisch, auf dem das Aquarium gestanden hatte – »Da habt ihr was zum Heizen!« –, zerfetzte den Adventskalender und warf das Radio nach seinem Feind Günsche, der verstört und von den ermattenden Fischen umzappelt in seinem Bett saß und gerade noch die Bettdecke zwischen sich und das Geschoß bringen konnte.
    »Fertig!« rief Wolzow. »Wünsche angenehme Nachtruhe!« Die Stube sah aus wie nach einem Bombenvolltreffer. Sie brachen durch den Korridor, wo sich die Oberhelfer drängten, dann

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