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Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
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Organist schien eine Übungseinheit zu absolvieren. Ich setzte mich hin und lauschte mit geschlossenen Augen einem Konzert, dessen einzigartige Akustik durch keinen störenden Gesang einer Kirchengemeinde beeinträchtigt wurde. Es klingt vielleicht befremdlich für Traditionalisten, aber ich glaube, viele Gottesdienste wären mit Orgelmusik dieser Güte, dafür ohne den Gesang der Kirchenbesucher wesentlich vollendeter, ja, ästhetischer. Toll und ganz sicher gleichwertig wären natürlich auch Choräle, die gregorianische oder andere sakrale Gesänge zum Besten gäben. Nur gibt‘s davon so viele? Nun denn, das ist ein anderes Thema und soll mich nicht weiter interessieren, ich war und werde absehbar eh kein Gottesdienstbesucher. Was zählte, war der Moment! Und der bot mir ein Privatkonzert der Extraklasse – einfach perfekt! Außer mir waren nur 4 andere Leute in der Kirche, die scheinbar ebenfalls ihre Freude an der Darbietung hatten. Auch sie schwiegen und lauschten. Nach einer Viertelstunde war (leider) Schluss und für mich das Signal, weiterzugehen. Es warteten noch über 20 km auf mich.
     
    Vor der Kathedrale wechselte ich noch ein paar Worte mit einem netten Pilgerehepaar aus Bonn, das mit dem Rad unterwegs ist. Die beiden waren heute noch keinen Meter gefahren und hatten es daher etwas eilig. Ich war gerade erst am Ortsausgang, da traf ich einen holländischen Pilger aus Renesse, der mit einer besonderen Willenskraft ausgestattet zu sein scheint. Vor vielen Jahren hat er sich bei einem Unfall ein Knie völlig zertrümmert und seitdem mehrfach den Versuch unternommen, nach Santiago zu pilgern. Alle Versuche musste er bisher abbrechen, nie hat sein Knie gehalten. Nun ist er wieder unterwegs, zuhause gestartet, mit einer eigens angefertigten Spezialmanschette, die sein Knie stabilisieren soll. Er gibt nicht auf und ist optimistisch, dass er es diesmal schaffen wird. Er nimmt sich viel Zeit, einmal war er zwischendurch sogar 10 Tage zu Hause, um seinem geschundenen Knie etwas Pause zu gönnen. Begegnen werde ich ihm unter normalen Umständen wohl nicht mehr, aber ich wünsche ihm wirklich von Herzen, dass er sein Ziel diesmal erreichen wird.
     
    Nach diesem Gespräch war ich wieder allein und setzte auf matschigem Geläuf meinen Weg fort. Die Gegend wurde sehr waldreich. Hinter Bernos-Beaulac halste ich mir, zum Teil durch eigene Doofheit, zum Teil durch eine missverständliche Beschreibung in meinem Reiseführer, bestimmt 4 Extra-Kilometer auf. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich merkte, dass ich nicht mehr richtig sein kann. Entgegen dem Motto „Niemals zurück – immer voran!“ hatte ich dieses Mal keine Wahl und musste auf gleichem Wege umkehren, bis ich die Stelle erreicht hatte, an der ich falsch abgebogen war. Dumm gelaufen! Nur gut dass ich genug Proviant dabei hatte. Ich war schmachtig wie ein Bär nach dem Winterschlaf. Als alles vertilgt war, war ich nicht nur satt, auch mein Rucksack fühlte sich gleich leichter an, welch positiver Nebeneffekt!
     
    Bis Captieux sollte ich mich nun nicht mehr verlaufen. Auf einer ehemaligen Bahntrasse ging es durch dichten Wald die nächsten 10 km nur noch geradeaus – topfeben. Wenig anstrengend, aber eben auch wenig abwechslungsreich. Etwas überraschend traf ich 5 km vor dem Ziel auf das Pilgerehepaar aus Edam, das ich heute Morgen wegen meiner ausgedehnten Nachtruhe verpasst hatte. Wir gingen ein paar Kilometer zusammen, bis die beiden zu einem Bauernhof vor Captieux abbogen, in dem sie ein Zimmer vorgebucht hatten. Schön, dass wir uns noch mal gesehen haben und uns voneinander verabschieden konnten.
     
    Kurz darauf erreichte ich meinen Zielort, der nur deshalb in meinen Aufzeichnungen Erwähnung findet, weil er mir Quartier bietet. Mehr gibt es zu ihm nicht zu sagen. Natürlich wurde ich durch Bazas heute etwas verwöhnt. In Ermangelung an Alternativen ist meine heutige Unterkunft mal wieder ein Hotel, sogar ein richtig gepflegtes! Ich durfte zum günstigen Pilgertarif inklusive Abendessen einchecken, alles bestens also. Da direkt nebenan ein kleiner Laden ist, konnte ich gleich meine Proviantbeutel für morgen wieder auffüllen.
     
    Frisch geduscht saß ich eine Stunde nach meiner Ankunft am gedeckten Tisch, fertig zum Abendessen! Und was soll ich sagen, es war wirklich genial! Ein Menü, schmackhaft, reichlich und ansprechend serviert, erste Sahne. So hätte ich es eigentlich in Frankreich öfters erwartet. Nicht dass es mir wichtig wäre, aber

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