Abenteurer sucht Frau fürs Leben
Tagebuch einige Lücken füllen kann.“
Lili beobachtete, wie er am Tisch entlangging und einen Ordner nach dem anderen zur Hand nahm.
Schließlich stützte er sich auf die Tischplatte und seufzte laut. „Vor einer Woche habe ich es für machbar gehalten. Aber jetzt, wo ich alles so ausgebreitet vor mir sehe, wird mir erst bewusst, worauf ich mich eingelassen habe. Ich habe gerade mal zehn Tage, um all die Erinnerungen an Personen und Orte aufzufrischen und etwas Interessantes daraus zu machen.“ Er drehte sich zu Lili um und deutete eine Verbeugung an. „Sie haben fantastische Arbeit geleistet. Ehrlich. Bei dieser Menge an Unterlagen hätte ich es niemals in dieser kurzen Zeit geschafft.“
„Darf ich einen Vorschlag machen?“
„Jederzeit, gern. Ich bitte darum.“
„Es könnte sinnvoll sein, sich einen Monat pro Tag vorzunehmen und sich aufzuschreiben, was Ihnen zu Ihren Notizen und dem Hintergrundmaterial einfällt. Auf diese Weise können Sie Ihre Erinnerungen in chronologischer Reihenfolge abrufen.“ Sie griff zu einer alten Bordkarte und wedelte damit in der Luft. „Als Einstieg könnten Sie Ihren Aufbruch nach Uganda nehmen. Wie sind Sie dorthin gekommen? Meine Mutter ist zum Beispiel zuerst geflogen und dann mit einem Truck weitergefahren. Wie ist Ihre Reise verlaufen? Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie in dem Camp angekommen sind? Warum haben Sie sich überhaupt entschieden, dorthin zu gehen? Das würde mich interessieren.“
„Das ist eine brillante Idee. Vielen Dank. Warum ich überhaupt hingegangen bin …“ Kyle schüttelte den Kopf und seufzte. „Nun, das ist eine Geschichte für sich. Glauben Sie wirklich, dass sich die Leser dafür interessieren? Ich hatte meine Gründe, aber die sind sehr persönlich.“
In sanftem Ton erwiderte sie: „Das ist natürlich Ihre Entscheidung. Mike hat mir den Eindruck vermittelt, dass ein persönlicher Touch erwünscht ist. Wenn es allerdings zu schmerzvoll für Sie ist, dann müssen die Kritiker eben akzeptieren, dass es gewisse Grenzen gibt. Ich könnte zum Beispiel nicht darüber schreiben, wie meine Mutter gestorben ist.“
Sie hielt den Blick starr auf den Teppich geheftet und merkte deshalb erst, dass Kyle zu ihr getreten war, als er sanft ihre Hand nahm.
„Und ich bin ein Idiot!“, sagte er leise. „Wie kann ich über meine trivialen Probleme reden, obwohl Sie und Ihre Familie einen so viel höheren Preis zahlen mussten? Es tut mir leid, dass ich so unsensibel bin.“
Die Aufrichtigkeit und Wärme in seiner Stimme wirkte so überwältigend, dass Lili danach zumute war, sich ausnahmsweise einmal gehen zu lassen. Doch statt ihm all ihre wirren Gefühle zu gestehen, sagte sie: „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Vergessen Sie nicht, dass mir bekannt ist, wie dieses Buch endet. Ich weiß nur nicht, wie es beginnt.“ Sie brach die Spannung zwischen ihnen, indem sie ihm ihre Hand entzog. „Können Sie wirklich nur mit zwei Fingern tippen?“
Er grinste und wackelte mit den langen schlanken Fingern in der Luft. „Ich habe gelogen. Es sind zwei Finger an jeder Hand. Aber ich muss mir viel Zeit nehmen und häufig die Löschtaste benutzen. Also keine Angst – ich werde Sie oder Ihre Familie nicht mit wildem Gehämmer auf der Tastatur stören. Da wir gerade davon sprechen …“, er sah sich im Raum um, „… wann lerne ich die anderen Hamiltons kennen? Sind sie heute Abend ausgegangen, oder haben sie sich aus Angst vor dem wilden Mann aus Nepal verkrochen?“
„Den Rest der Familie haben Sie bereits kennengelernt. Belle ist sehr übermütig, aber sie nimmt das Bad nicht in Beschlag und lässt keine schmutzige Wäsche herumliegen. Wir kommen sehr gut miteinander aus.“
Leise hakte Kyle nach: „Sie und Belle – das ist alles? Sie wohnen ganz allein in diesem großen Haus?“
Sie runzelte die Stirn über den unverhofft besorgten Unterton in seiner Stimme. „Ja, das ist richtig. Es ist seit Generationen im Besitz der Familie, und ich habe nicht die Absicht, daran etwas zu ändern.“
Die Uhr auf dem Kaminsims schlug die volle Stunde.
Überrascht fragte Lili: „Haben Sie gemerkt, wie spät es schon ist? Ich bin ja so unhöflich! Sie müssen erschöpft sein. Wollen wir uns morgen früh um neun hier treffen? Das gibt Ihnen Zeit, sich einzurichten und zu entscheiden, wie Sie vorgehen wollen.“
„Das passt mir gut.“ Er holte Papier und Stift aus der Tasche. „Ich brauche eine Wegbeschreibung zum nächsten Hotel. Können
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