Aber bitte mit Sake
Ingenieur in Schuss gehalten wird, beobachte ich wieder den Kapitän. Es wird geknipst und gelacht, Hunderte Fotos werden geschossen, und endlich sind auch Kyoko und Gaki an der Reihe. Zufrieden kommen sie nach der Fotosession auf mich zu. Ich blicke auf die Uhr.
»Oh, wir sollten runtergehen. Henry wartet bestimmt schon.«
»Henry?«
»Einer der internationalen Gäste – ich habe ihn kennengelernt, als ich nicht schlafen konnte. Er …«
»Ich weiß, wer Henry ist.« Kyoko seufzt.
»Ich habe uns mit ihm verabredet. Er wartet bestimmt schon.«
»Das kann ich mir kaum vorstellen«, entgegnet Kyoko und lächelt sanft. Ich werfe ihr einen Blick von der Seite zu. Irgendwas muss zwischen den beiden vorgefallen sein. Als wir am Speisesaal ankommen, ist von Henry noch nichts zu sehen. Kyoko blickt ungeduldig auf ihre Armbanduhr.
»Es ist schon fünf nach halb«, sagt Kyoko und ich merke, dass nur die Höflichkeit es ihr verbietet, ihre Ungeduld zu zeigen. Um viertel vor acht kommt der Tahitianer gutgelaunt die Treppe hinuntergespurtet. Er drückt mir links und rechts einen Kuss auf die Wange, eine Begrüßung, die Kyoko kritisch beobachtet. Einen fast Fremden zu küssen, für eine Japanerin undenkbar. Intensiver Körperkontakt mit Fremden ist verpönt.
Henry wendet sich meiner Zimmergenossin zu.
»Kyoko! Wie schön, Sie wiederzusehen!«, ruft er aus. Kyoko verbeugt sich höflich. Henry trägt ein weißes Leinenhemd, das lässig über die Dreiviertel-Khakihose hängt, und wie immer keine Schuhe.
»Geht Ihre Uhr falsch?«, erkundigt sich Kyoko freundlich.
»Warum sollte sie?« Kyokos Blick fällt auf seine Füße. Ich kann mir vorstellen, was sie denkt. Wenigstens für das Kapitänsdinner hätte er sich ein paar Schuhe anziehen können. Aber das würde sie natürlich nie aussprechen.
Wir betreten den großen Speisesaal, der, was die Ausstattung angeht, definitiv in den späten Siebzigern stehengeblieben ist. Der Teppich mit seinem wirren hell- und dunkelroten Muster verstört durch einen leicht psychedelischen Stil. Über den runden Tischen liegen bordeauxfarbene Tischdecken. Den Raum überspannt eine abgehängte, verspiegelte Decke, von der ein futuristischer goldener XXL -Kronleuchter herabhängt. Obwohl die Tabletten gegen die Seekrankheit wirken, bin ich mir sicher, dass meine Übelkeit ob dieser Farbenpracht innerhalb der nächsten Stunden wiederkehren wird. Ich steuere auf einen freien Tisch zu, aber eine der Kellnerinnen am Eingang hält mich zurück.
»Madame. Für drei?«, fragt sie mich aufmerksam, aber mit einer Spur von Dominanz in der Stimme.
»Vier, bitte«, entgegne ich. In einer artigen Reihe folgen wir der Kellnerin, während uns die anderen Gäste aufmerksam betrachten. Wir sind mit Abstand die seltsamste Gruppe im Saal. Ich bin als Deutsche sowieso schon bekannt wie ein bunter Hund, hinter mir trottet Henry ohne Schuhe und Gaki folgt uns in ihrem Mangakostüm. Wir lassen uns an dem uns zugewiesenen Tisch nieder, an dem bereits ein japanisches Ehepaar und ein junger Mann sitzen.
»Konbanwa! Guten Abend!«, sage ich höflich und setze mich demonstrativ zwischen Henry und Kyoko. Ich lächle die beiden an. »Mein erstes japanisches Dinner an Bord.«
»Es wird dir gefallen. Das Essen ist gar nicht so schlecht hier.« Henry lacht mich an. »Wasser gibt es kostenlos und nach dem Essen natürlich grünen Tee, Ryokucha . Alle anderen Getränke musst du extra bestellen, und sie werden dann über deine ID -Card auf dein Zimmer geschrieben«, erklärt er mir das Prozedere, während mir mein Gegenüber zuprostet.
»Sake?«, sagt die Dame und blickt mich fragend an. Dann folgt ein Redeschwall auf Japanisch.
»Sie möchte gerne erfahren, wo Sie herkommen und ob Sie Sake mögen?«, übersetzt Kyoko.
»Oh – ich komme aus Deutschland. Und Sake finde ich nicht schlecht, also warum nicht.«
»Das würde ich bleiben lassen«, mischt sich Henry ein. »Das Zeug ist widerlich!« Kyoko wirft ihm einen stählernen Blick zu.
»Henry, ich bitte Sie! Sake ist integraler Bestandteil der japanischen Kultur. Und die sollte Dana unbedingt noch besser kennenlernen. Ihr sind unsere Gepflogenheiten ohnehin noch viel zu fremd.« Dann wendet sie sich wieder an das japanische Pärchen, das mir gegenüber sitzt. Die beiden nicken mir zu und lächeln mich an. »Frau Takahashi möchte Sie gerne auf einen Sake einladen. Sie findet Sie übrigens sehr hübsch.«
»Oh, das ist aber nett. Wirklich? Danke schön.« Etwas
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