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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Vater wurden zur Verlobung eingeladen.
    Postwendend kam Antwort von beiden. Leider hatte Vater gerade eine dumme Halsentzündung, und Mutter mußte bei ihm bleiben. So sandten sie ihre besten Glückwünsche und ein „Gott segne und behüte dich, liebe, kleine Unni“.
    Mehr als zwanzig Personen erschienen zur Verlobungsparty. Ich hatte ein neues Abendkleid bekommen, und Roar schenkte mir einen Diamantring. Einen richtigen Diamanten! Ich konnte die Augen nicht davon abwenden. Es war mir, als müsse ich jeden Augenblick erwachen und mich in dem schmalen, grüngestrichenen Bett daheim in Esthers und meinem Kinderzimmer wiederfinden.
    Es wurde zugeprostet, der Champagner floß in Massen, Onkel Toralf übertraf sich selbst mit anzüglichen Witzen, und Tante Hanna hielt eine schöne kleine Rede, während der wir alle auf unsere Teller starrten und Brotkügelchen drehten. Hätte Onkel Toralf nicht die Situation mit einer ungewöhnlich schlechten Blödelei gerettet, weiß ich nicht, wie wir aus dieser feierlichen Stimmung wieder herausgekommen wären. Tante Hanna hatte nämlich Roars verstorbene Eltern erwähnt. Das war gut und richtig, aber eine so ernste Rede zu halten – na ja!
    Nach dem Essen umringten mich alle, ich kam mir so schick vor in meinem eleganten Kleid, jeder sagte mir etwas Hübsches, und ich war wie berauscht, ja einfach auf dem Gipfelpunkt des Glücks.
    Als ich später einmal in mein Zimmer hinaufging, um meine Frisur und mein Make-up aufzufrischen, stand dort Else vor dem Spiegel. Langsam drehte sie sich um und lächelte mich an.
    „Ich bin so froh um deinetwillen, Unni“, sagte sie. „Ich glaube, du bekommst einen lieben Mann.“
    Ich setzte mich auf den Diwan und blickte Else an. Ihre Augen waren so blank wie an dem ersten Abend, da ich mit ihr zusammen war. Plötzlich beugte sie sich zu mir herab und küßte mich auf die Wange.
    „Gott schütze dich, Unni“, flüsterte sie, „Gott gebe dir all das Glück, das…“ Und ehe ich mich versah, war sie aus dem Zimmer.
    Ich setzte mich vor den Toilettenspiegel, knipste das Licht an und griff nach dem Kamm. Da sah ich mich selbst. Ich sah eine Gestalt, die aus einem Modejournal geschnitten zu sein schien. Mein Haar, das von Natur aschblond ist, hatte eine geschickte Friseuse goldblond getönt. Das Rouge lag genau richtig auf Wangen und Lippen. Das Kleid, weit ausgeschnitten und von raffinierter Machart, war blaßblau. An den Füßen trug ich hochhackige Silberschuhe, und um die Schultern lag das letzte Geschenk von Tante Agnete: eine weiße Pelzstola.
    Filmstar! dachte ich.
     
     

     
     
    Mir fiel ein anderes Spiegelbild von mir ein, das ich am letzten Donnerstag daheim gesehen hatte. Damals trug ich einen Pullover und einen karierten Rock, mein Haar war glatt und schlicht geschnitten. Und ich saß in der Ecke neben dem Bücherschrank und las die Rolle der Rebekka.
    Und plötzlich ging mir auf, daß heute auch Donnerstag war. Ich wußte, daß es Vati wieder soweit gutging – er hatte sich wohl nur ein paar Tage schonen müssen – , und so saßen sie zu Hause jetzt wieder bei Tee und Keksen zusammen. Sie lasen wohl nun „Die Kronprätendenten“ – und Vati sprach vielleicht in diesem Augenblick über den Bischof oder über Skule. Im Geiste sah ich, wie die anderen mit offenen Augen und Ohren lauschten, und hörte, wie Tor ab und zu eine Frage stellte… Die Stehlampe in der Ecke verbreitete ein behagliches Licht, und der Tee dampfte in den blauen Tassen.
    Herrgott, wie unwirklich erschien mir auf einmal alles. Tante Agnete und Roar waren einfach verschwunden aus meinem Bewußtsein. Ich war wieder nur Unni, nur Mutters und Vaters Tochter – und ich empfand ein grenzenloses Heimweh.
    Ich beugte mich vornüber, meine Stirn sank auf die kalte Glasplatte des Toilettentisches, und ich weinte und weinte.

Ein Mißklang
     
     
    Ich merkte bald, daß eine Verlobung ein höchst willkommenes Ereignis für den Reitklub bedeutete, eine ausgezeichnete Gelegenheit zum Festefeiern. Und diese Gelegenheit wurde bis zum äußersten genutzt.
    Jeden Abend war irgend etwas los. Tanzereien, Geselligkeiten in den Familien, Theater, Souper. Immer wieder erfand der eine oder andere etwas Neues, und Roar und ich waren überall der Mittelpunkt. Heute – lange Zeit danach – sehe ich ein, wie ungesund es für ein junges Mädchen von einundzwanzig Jahren ist, Mittelpunkt zu sein. Aber Spaß macht es. Ich ging umher wie in einem einzigen Rausch. In den seltenen Fällen,

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