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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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alle sprachen gleichzeitig. Der einzige, der wirklich etwas dazu hätte sagen können, war der Doktor, und der schwieg.
    „O Gott, wie kann man nur die armen, unschuldigen Tiere quälen“, rief Lilli mit einer Stimme, die vor Empörung zitterte.
    „Sie wären imstande, auch Pferde dazu zu verwenden“, rief Roar. „Nehmen Sie auch Einspritzungen bei Pferden vor?“
    „Ist schon vorgekommen!“ sagte Doktor Bogard ruhig.
    Die Stimmung wurde nun fast feindselig gegen den Doktor. Als einmal eine winzige Pause in dem aufgeregten Stimmengewirr eintrat, wagte ich, mich einzuschalten:
    „Ja, aber nun hört doch mal, ihr dürft doch nicht vergessen, daß solche Tierversuche den Menschen unendlich viel genützt haben.“
    „So, aha, du nimmst also seine Partei!“ rief Frau Rawen, die einen Pudel und eine Angorakatze besaß und als die anerkannt größte Tierfreundin des Klubs galt. „Ich finde, es ist eine Schande für die ganze sogenannte zivilisierte Welt, daß es so etwas wie die Vivisektion überhaupt gibt.“
    „Sagen Sie mir, Frau Rawen“, sagte der Doktor leise, schleppend und völlig ruhig, „kennen Sie jemand, der zuckerkrank ist?“
    „Ja, meine Mutter!“
    „Ja – wie, in aller Welt, lebt sie denn dann noch?“
    „Sie bekommt natürlich Insulinspritzen.“
    „Ach so! Wissen Sie, daß bei der Entdeckung des Insulins vielen Hunden große Leiden verursacht wurden? Wissen Sie, daß es Tierversuche sind, die zahllosen zuckerkranken Patienten das Leben retten?“
    Frau Rawen schwieg. Aber Roar sprach weiter. Er war mit seinen Gedanken noch bei den Pferden.
    „Aber die Pferde, Doktor! Wozu müßt ihr Ärzte denn auch die Pferde mißhandeln?“
    „Wer sagt Ihnen, daß wir sie mißhandeln? – Wie viele Kinder, glauben Sie, sind wohl schon durch ein Serum gerettet worden, das uns die Pferde liefern?“
    „Sie meinen vermutlich das Diphtherie-Serum?“
    „Ja, daran denke ich im Augenblick.“
    „Man hätte ganz was anderes erfinden sollen“, sagte Roar. „Ihr hättet die Pferde in Frieden lassen sollen.“
    Ich errötete bis unter die Haarwurzeln. Ich schämte mich, schämte mich unsagbar für Roar. Aber der Doktor blieb weiterhin ruhig. Sein Lächeln blieb unverändert. Nur schien es mir, als habe es einen leichten Anflug von Ironie bekommen. Langsam stand er auf und verschwand hinter einem dichten Vorhang. Ich wußte, daß er jetzt zum Flügel ging.
    „Na, ihr seid ja gut“, sagte Vera, „wißt ihr denn nicht, daß Henning berühmt ist – oder berüchtigt, wenn ihr wollt – wegen seiner Tierversuche?“
    „Glaubst du, daß er nun böse ist?“ fragte Frau Rawen. Nach der Erläuterung über das Insulin war ihre Stimme recht zahm geworden.
    „Aber nein, Henning ist niemals böse“, erwiderte Vera. „Prost, Kinder, laßt uns von etwas Netterem reden!“
    Aber ich stahl mich ebenfalls durch den Vorhang fort und schlich durch die Diele ins Musikzimmer. Der Doktor drehte sich nicht um, als er mich kommen hörte, sondern schlug die ersten Takte einer Toccata an.
    „Ich bin nicht sicher, ob Sie mit Leutnant Steen glücklich werden, Unni“, sagte er. Er sah mich nicht an dabei. Ich setzte mich still hin und hörte zu, wie er eine Toccata und Fuge von Bach spielte.
     
    *
     
    Im Theater war Premiere zur „Wildente“ von Ibsen. Ich las es in der Zeitung, als gerade Doktor Bogard, Vera und Roar bei uns Kaffee tranken.
    „Oh, Roar, Dienstag ist Premiere!“ rief ich. „Wollen wir hingehen?“
    „Ja, gern!“ sagte Roar. „Was wird denn gegeben?“
    „,Die Wildente’“, sagte ich, und dann vergaß ich mich völlig und fuhr eifrig fort: „Um die ,Wildente’ bin ich nämlich im vorigen Jahr betrogen worden, denn ich fuhr ja gerade ab, als wir zu Hause anfingen, sie zu lesen.“
    „Lest ihr zu Hause?“ fragte Roar verwundert. Und so mußte ich ihm erklären, daß wir daheim Ibsen-Abende veranstalteten.
    „Das ist ja das Verrückteste, was ich je gehört habe“, rief Roar lachend. „Da sitzt ihr wahrhaftig jeden Donnerstag zusammen und lest laut vor?“
    „Ja!“, sagte ich und fühlte, wie der Zorn in mir aufstieg.
    „Gott bewahre mich!“ sagte Roar. „Und ihr lest immer denselben Dichter?“
    „Ja“, antwortete ich wieder. Das, was ich Roar sonst noch sagen wollte, mußte warten, bis wir unter uns waren.
    „Alle Achtung vor deinen Eltern, Unni“, fuhr Roar fort, „aber, du lieber Himmel, wie langweilig muß das bei euch sein.“
    Ich war drauf und dran hochzufahren, doch da kam

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