Abgehakt
Messer an der Stirn an. Höhnisch lachend rief er: »Ich werde dich skalpieren!«
»Nein!«, schrie sie wieder. »Nein! Lass mich los!« Sie versuchte zu strampeln und um sich zu schlagen, doch ihre Hände wurden festgehalten.
»Anne!«, hörte sie jemanden rufen. »Anne, wach auf!«
Schweißgebadet öffnete sie die Augen und blickte Carsten an, der ihre Hände festhielt und sie jetzt zu sich hochzog.
»Du hattest einen Albtraum!«, erklärte er und wischte ihr den Schweiß von der Stirn.
»Sie wollten mich skalpieren!«, rief sie atemlos.
Er holte ihr ein Glas Wasser und setzte sich neben sie.
»Trink das. Ich bleibe jetzt bei dir. Versuch wieder einzuschlafen.«
»Ich habe Angst, die Augen zuzumachen«, gestand sie.
»Das musst du nicht. Du wirst jetzt keinen Albtraum mehr haben. Ich bin ja bei dir.«
Tatsächlich schlief sie kurz darauf ruhig und traumlos ein.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, blickte sie in die entspannten Gesichtszüge von Carsten, der im Sessel eingeschlafen war. Er war nach unten gerutscht und hielt seinen Kopf auf seine Hand gestützt. Zärtlich betrachtete sie ihn. Er war ein wunderbarer Mann. Welches Glück sie hatte, ihn kennengelernt zu haben. Ohne ihn wären die letzte Nacht und auch der Abend, als Sunny starb, noch mehr zum Horror geworden, als es sowieso schon der Fall war. Dankbar küsste sie ihn auf die Wange. Verwundert öffnete er die Augen.
»Wofür war das?«, fragte er leise.
»Ein Dankeschön für deine Hilfe.«
»Und da küsst du mich im Schlaf, wo ich das nicht mal richtig mitkriege?«
Erneut senkte sie ihre Lippen auf seine Wange. Dann nahm er ihren Kopf in beide Hände und küsste sie auf den Mund. Es war ein langer, zärtlicher Kuss. Einer von der Sorte, die man am liebsten in eine Schachtel gelegt hätte, um sie ewig aufzubewahren.
Wenig später saßen sie beim Frühstück.
»Anne, ich möchte gern, dass du heute hierbleibst«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
»Gern.«
»Ich habe eine Nichte«, fuhr er fort, »die arbeitet hier in Wiesbaden als Friseurin. Wenn du möchtest, rufe ich sie an.«
»Du meinst, da ist noch was zu retten?« Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, die an den Seiten noch Kinnlänge hatten, am Hinterkopf aber sehr kurz waren.
»Es wird schwer, dich noch hübscher zu machen«, sagte er galant. »Aber Franziska kann es ja mal versuchen. Ich rufe sie an.«
»Danke!«
»Und dann gibt es da noch etwas, worüber Martin, mein Kollege von gestern, und ich mit dir reden müssen. Es ist sehr wichtig.«
»Klingt nach etwas Unangenehmem.«
»Ich wünschte, ich könnte es dir ersparen.«
»So schlimm wie das, was ich bis jetzt erlebt habe, wird es schon nicht sein, oder?«
Er antwortete nicht auf ihre Frage. Anne versteifte sich. Was konnte es noch Schlimmeres geben, als überfallen zu werden, Todesangst auszustehen und wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens Albträume zu haben?
»Du musst keine Angst haben. Ich würde gern mit dir heute Nachmittag zu ihm fahren. Schaffst du das?«
»Ja, wenn du bei mir bist.«
Er griff über den Tisch und nahm ihre Hand. »Das werde ich.«
Während Anne sich im Bad fertig machte, telefonierte Carsten mit seiner Nichte, die sich sofort bereit erklärte zu kommen.
»Ich habe bis Mittag Dienst«, erklärte er Anne. »Aber Franziska kommt gleich und bleibt bei dir, bis ich zurück bin. Du wirst sie mögen.«
Das war auch auf Anhieb der Fall. Als die junge Frau ihren rötlichen Lockenkopf zur Tür hereinstreckte und fröhlich rief: »Hier kommt ihr ganz persönlicher Heimservice!«, zauberte das auch bei Anne ein Lächeln auf die Lippen. Nachdem Carsten die beiden einander vorgestellt hatte, ließ er sie allein und fuhr los. Dass er eine Streife vor die Tür beordert hatte, davon wussten die Frauen nichts.
»Carsten hat mir von ihrem Überfall erzählt. Es muss schrecklich sein, so was zu erleben«, sagte Franziska, während sie ihre Friseurutensilien auspackte. »Aber«, sie lachte Anne offen an, »ich werde Sie wieder wunderschön machen. Das wird diese böse Erinnerung verblassen lassen.«
Während sie an Annes Haaren herumschnitt, meinte sie: »Carsten mag Sie sehr.«
»Tut er das?«
»Ja! Er hat mir schon neulich von Ihnen erzählt. Und die Art, wie er das tat, sagte mir gleich, dass Sie etwas Besonderes sein müssen.«
»Was Besonderes«, wiederholte sie. »Das ist doch Unsinn. Ich bin eine Frau, wie viele andere auch.«
»Aber eine, die Carsten
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