Abgehakt
bei der Tat um einen Raubmord handelte, konnte ausgeschlossen werden. Es hatte nichts gefehlt, und Einbruchspuren gab es auch nicht. Frau Schnitzler war eine hübsche, junge Frau von achtundzwanzig Jahren gewesen, die von ihren Freunden und Kollegen als provokant und eingebildet charakterisiert wurde. In ihrer Freizeit war sie reiten gegangen, ansonsten hatte sie scheinbar wenige Interessen gehabt. Eine Kollegin sagte ihr ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, dem Vater eines Kindes aus der Tagesstätte, nach. Dies ließ sich aber nie nachweisen. Alle, die im entferntesten ein Motiv hätten haben können, hatten überprüfbare Alibis. Dabei gab es eine ganze Menge Leute, die Veronika Schnitzler nicht gemocht hatten, etwa der Reitlehrer, Kollegen oder Leute aus Hamburg. Die Mordkommission ermittelte vier Monate, letztendlich ohne einen konkreten Verdacht und gänzlich ohne Ergebnis.
Silke Benning, das zweite Opfer, war erst zweiundzwanzig Jahre alt und nicht minder attraktiv gewesen. Man hatte ihr am 21. Februar dieses Jahres in ihrer frisch bezogenen Zwei-Zimmer-Wohnung in der Mainzerstraße die Kehle durchgeschnitten und sie mit dem Hakenschnitt gezeichnet. Ein grauenvoller Anblick, erinnerte sich Martin. Die Polizei fand die Tatwaffe vor Ort sowie verschiedene Fingerabdrücke, die allerdings nicht zugeordnet werden konnten. Seit sieben Jahren hatte die junge Frau in Wiesbaden gelebt, bis kurz vor der Tat noch bei ihren Eltern. Sie hatte Kunstgeschichte studiert, gern gemalt und nebenbei verschiedene Sprachen gelernt. Von ihrem Umfeld wurde sie allgemein als schüchtern, zurückgezogen, geheimnisvoll oder gar komisch beschrieben. Ein Mensch mit wenig Kontakten zu anderen.
Das Motiv für diesen Mord konnte man nicht einmal erahnen. Martin und seine Männer mussten bereits nach sechs Wochen die Ermittlungen einstellen, weil es nichts mehr zu ermitteln gab.
In der Akte von Marita Janz stand noch nicht sehr viel. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und hatte seit vier Jahren in dem Haus in der Wellritzstraße gewohnt. Arbeitgeber und Kollegen waren der Polizei bekannt, niemand hatte jedoch engeren Kontakt zu Frau Janz gehabt. Bis jetzt gab es noch keine Zeugenaussagen, durch die sich Martin ein konkretes Bild von der Toten machen konnte. Auf den ersten Blick schien sie ein einfaches, unspektakuläres Leben geführt zu haben.
Martin schlug die Mappe zu. Inzwischen war es Mittag, und es machte keinen Sinn, hier weiter herumzusitzen. Er musste warten, bis alle Untersuchungsergebnisse vorlagen, um dann einen genaueren Vergleich der drei Fälle unternehmen zu können. Er verließ sein Büro, um nach Hause zu fahren. Seine Frau Karla wartete sicher schon auf ihn, wenngleich sie ihm das nie sagte oder ihn spüren ließ. Bei dem Gedanken an sie huschte ein Lächeln über Martins Gesicht. Wie dankbar war er doch, dass er sie vor drei Jahren kennengelernt hatte. Karla war eine sehr verständnisvolle Frau, der es nichts ausmachte, mitten in der Nacht wegen eines Mordfalles geweckt zu werden oder am Wochenende auf ihren Mann zu verzichten. Sie interessierte sich für Martins Beruf, litt und freute sich mit ihm und gab ihm den nötigen Ausgleich zu den schrecklichen Dingen, die er erlebte. Karla war Martins dritte Frau. Nach zwei gescheiterten Ehen, woran der Beruf nicht ganz unschuldig war, hatte auch Martin dazugelernt. Er erzählte nur dann etwas von seinen Fällen, wenn Karla es wollte.
Während Martin und Karla am Nachmittag ins Kino fuhren, um sich »Avatar« anzusehen, telefonierte Anne mit Kelly. Von ihr erhielt sie weitere Informationen über Saskia und Mark, die ihr helfen sollten, ihren Verführungsplan zu perfektionieren.
»Saskia ist jeden Dienstagabend im Schwimmbad und anschließend in der Sauna.«
»Im Schwimmbad?«, wunderte sich Anne. »Sie hat doch den Pool im Garten.«
»Der ist ihr zu klein, um lange Strecken zu schwimmen«, erklärte Kelly. »Ansonsten kannst du Mark nur samstagvormittags allein antreffen. Saskia ist dann immer in der Boutique.«
»Und unter welchem Vorwand soll ich mich bei ihm melden?«
»Keine Ahnung.« Kelly überlegte kurz. »Oder doch! Ich habe noch ein Buch von Saskia ausgeliehen. Ich könnte es dir weiterleihen. Sie hätte bestimmt nichts dagegen. Wenn du verstehst, was ich meine?«
»Voll und ganz. Ich komme das Buch morgen Abend bei dir holen.«
»Gut. Wir sehen uns.«
Anne merkte, dass die Sache begann, ihr Spaß zu machen. Planen war eben ihr Fachgebiet.
Weitere Kostenlose Bücher