Abgehakt
Opfer mit dem Kabel zu erdrosseln?
Der Kommissar öffnete alle Schränke, die außergewöhnlich ordentlich eingeräumt waren. Die Schuhe standen paarweise in Reih und Glied, was auf Bügeln hing, war farblich sortiert, und die Pullover und T-Shirts lagen exakt aufeinander gestapelt. Martin zog die Schublade des Nachttisches auf und fand eine Packung mit Antibaby-Pillen. Zuletzt nahm er den Inhalt der Kommode unter die Lupe. Auch sie war voll mit Wäsche. Martin stutzte. In zwei von drei Schubfächern herrschte perfekte Ordnung, wie in den Schränken. In der dritten Schublade dagegen lagen BHs und Höschen wild durcheinander. Martin fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Hatte Marita Janz selbst oder jemand anderes etwas in dieser Schublade gesucht? Und wenn ja, was?
Zurück im Präsidium brachte er den Messerblock ins Labor zur Untersuchung. Dann rief er Jasmin Festner an, um sich nach der Ordnungsliebe der Toten zu erkundigen. Sie bestätigte das, was Martin vermutet hatte, und erklärte zudem, dass Marita sehr viel Zeit für die Sauberkeit in ihrer Wohnung verwendet hatte.
Wie vereinbart erschienen Martins Leute nacheinander am Nachmittag im Besprechungszimmer.
»Also, Leute. Was haltet ihr von der Sache?«, forderte Martin sie auf, ihren Gedanken zu dem Fall freien Lauf zu lassen.
»Augenscheinlich«, begann Michael, »handelt es sich um einen Sexualmord. Die Tote war nackt und hatte Geschlechtsverkehr.«
»Ja, augenscheinlich«, unterbrach ihn Dieter. »Das passt aber überhaupt nicht in das Muster des Serienmörders. Bei den anderen Opfern weist absolut nichts auf eine Sexualstraftat hin.«
»Das würde ich nicht ohne Weiteres sagen. Immerhin waren die beiden ersten Opfer auch obenrum nackt. Der Mörder kam bei ihnen vielleicht nicht zum Zug, warum auch immer. Das Motiv kann doch trotzdem was mit Sex zu tun haben.«
Martin fuhr sich durch die Haare, was er immer tat, wenn er nicht nur seine Haare, sondern auch seine Gedanken richten wollte. »Also, was haben wir? Drei tote Frauen, auf unterschiedliche Weise ermordet, mit dem gleichen Zeichen versehen. Es stellt sich die Frage: Was hatten diese Frauen gemeinsam? Kannten sie sich? Für die ersten beiden Opfer hatten wir das ja bereits durchgespielt, allerdings ohne Erfolg.«
»Aber jeder Mörder macht irgendwann einen Fehler. Wir müssen ihn nur finden«, sagte Paul voller Tatendrang.
»Oh, Junge!« Dieter blickte ihn fast mitleidig an. »Ich will dich ja nicht entmutigen, und ich hoffe wirklich, dass wir einen Fehler finden, aber ich bin überzeugt, dass es perfekte und fehlerlose Morde gibt. Wenn ein Mörder eiskalt ist und noch dazu intelligent, entdeckt ihn kein Mensch.«
Bevor die Diskussion eskalieren konnte, ergriff Martin das Wort: »Okay, bevor wir das Thema weiter vertiefen, lasst uns zurückkommen zu unserem speziellen Fall. Die Frage ist doch, warum sind die Frauen Opfer geworden?«
»Diese Frage bringt eventuell keine weiterführenden Erkenntnisse«, warf Michael ein.
»Trotzdem müssen wir ihr nachgehen«, sagte Martin mit Nachdruck, und Dieter nickte bestätigend, bevor er sprach.
»Die praktische Relevanz des Opferverhaltens ist größer als man allgemein annimmt. Schließlich entsteht Gewalt ebenso wenig wie ein Gewitter aus heiterem Himmel. Es muss irgendein Reiz auf den Täter ausgeübt worden sein. Ein Reiz, der höchstwahrscheinlich vom Opfer selbst kam, der aber keineswegs aggressiver Natur sein musste.«
»Du meinst, die Frauen haben vielleicht was ganz Normales getan, was den Täter aber reizte, womöglich ohne sich dessen bewusst zu sein?«, formulierte Paul seine Gedanken.
»Genau!«
»Möglich ist natürlich auch, dass der Reiz von irgendjemand anderem ausging und die Frauen rein zufällig ausgewählt wurden«, warf Michael ein.
»Das bringt uns alles nicht weiter. Zunächst müssen wir uns auf die Fakten beschränken.« Martin berichtete ihnen von seiner Besichtigung der Wohnung und wies ganz besonders auf Marita Janz’ Ordnungsliebe hin. »Frau Festner hat bestätigt, dass das Opfer einen regelrechten Sauberkeitsfimmel gehabt hat. Neben ihrem Lover war wohl putzen ihr Hobby.«
Vorläufig war damit noch nicht viel anzufangen. Aber, wie immer zu Beginn von Ermittlungen hieß es, Informationen wie Puzzleteile zu sammeln, in der Hoffnung, sie irgendwann einmal zusammensetzen zu können.
»Mich irritiert, dass die Frau schwanger war.« Paul sah die anderen nachdenklich an. »Möglicherweise hat sie es ihrem Freund
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