Abgründe (German Edition)
zu sprechen und dass sie dieses Bedürfnis würden nutzen können. Sie war auch die erste aus seinem – zugegeben ehemaligen – Team gewesen, die sich am Tatort eingefunden hatte. Dann war Donovan mit Mason aufgetaucht, der sich mittlerweile wieder einigermaßen im Griff hatte. Dewey war mit den Streifenbeamten und der Spurensicherung angerückt und jetzt sichtlich darum bemüht, dass am Tatort alles glatt lief.
Ethan hatte den anderen erzählt, dass ihn eine Kollegin von Cara-Mia angerufen habe, die er vorher nicht gekannt hatte. Ansonsten war er bei der Wahrheit geblieben. Jetzt hielt er sich im Hintergrund und registrierte erleichtert, dass niemand, nicht einmal Mason, versuchte, ihn fort zu schicken. Er war froh über den Respekt seiner Kollegen.
»Ich wette, er hat von einem Einweg-Handy aus angerufen«, mutmaßte Donovan.
Ethan blickte ins Motelzimmer, wo gerade das gewohnte Schauspiel vonstatten ging. Die Spurensicherung packte potenzielle Beweise ein und nahm Fingerabdrücke mithilfe verschiedenfarbiger Pulver, mit denen nach und nach alle Oberflächen bestäubt wurden. Auch Cara-Mias Hände befanden sich jetzt in Plastiktüten, die um ihre dünnen Handgelenke mit Gummibändern fest verschlossen waren.
»Da vorne steht eine Telefonzelle. Die überprüfen sie gerade.« Gladys deutete nach draußen.
Donovan folgte ihrem Blick, betrachtete die Männer und Frauen in den Papieranzügen für einen Moment und atmete tief durch.
Ethan machte ein paar Schritte ins Zimmer und sein Blick fiel auf eine kleine Pinnwand mit Fotos, die das einzig Private hier zu sein schien. Die Spurensicherung hatte sie in Folie gepackt und beschriftet. Ethan wusste, dass Cara-Mia die Pinnwand immer schnell umgedreht hatte, wenn sie Kunden mit her brachte – also hatte der Killer ihr entweder keine Zeit dazu gelassen oder er hatte sie nach getaner Arbeit wieder umgedreht, damit alle sehen konnten, was das Leben ausgemacht hatte, das hier zerstört worden war. Die Fotos zeigten die verschiedensten Szenen aus dem Leben der Toten. Ein blondes Kind, vermutlich sie selbst, das auf einem Heuballen saß. Ein paar junge Leute, die wahrscheinlich ihre Freunde gewesen waren. Sie mit einem Mann im Arm, der ihr nicht unähnlich sah und ihr Bruder gewesen sein mochte.
Wie sie wohl gelebt hatte, wenn sie nicht gerade am Straßenstrich auf Freier gewartet hatte? Ethan schalt sich selbst dafür, dass ihn ihr Leben erst jetzt interessierte, wo sie tot war. Da war es wieder, das schlechte Gewissen, weil er all diese Frauen benutzte, obwohl er wusste, dass es meist Notlagen und persönliche Tragödien waren, die sie in die Prostitution trieben.
»Er foltert sie also, bis sie ihm ihre Geheimnisse verraten?« Gladys stand wie Ethan in der Nähe der Tür und beobachtete die Szene, ohne der Spurensicherung im Weg zu stehen.
»So wie ich es verstanden habe, ja.«
»Dann frage ich mich, was das hier für ein Geheimnis darstellen soll. Die Prostituierte, die heimlich bei der Polizei war? Eine Undercover-Beamtin vielleicht?«
Ethan schüttelte den Kopf und blickte herüber zum Bett. Er kannte die Wahrheit und konnte nur hoffen, dass die Reinigungskräfte hier gründlicher waren, als das gesamte Etablissement vermuten ließ.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, log er, den Blick noch immer finster auf die Leiche der ehemals bildhübschen Prostituierten gerichtet. Die Spurensicherung hatte ihre Augenhöhlen abgedeckt, damit sich dort keine Fliegen einnisteten. Wenigstens hatten sie Delilah Linney nicht im selben Zustand gefunden wie Rusty Hilbredge.
»Ethan? Dein Handy klingelt.«
Ethan schreckte auf und sah Gladys an, die auf seine Hosentasche deutete. Er holte das Mobiltelefon aus der Tasche und ging ran.
»Spreche ich mit Detective Hayes vom Virginia Beach Police Department?«
Ethan bejahte und sah Dewey an, der sich jetzt ebenfalls zu ihnen gesellte.
»Hier ist Detective Williamson aus Detroit. Einer Ihrer Mitarbeiter hat uns vergangene Woche wegen dem Fall Wilbur Birch kontaktiert.«
»Und?«
»Tja, es gibt Neuigkeiten.«
Ethan war froh, dass es der Beamte zuerst bei ihm und nicht auf dem Revier versuchte, wo man ihn zweifellos von seiner Beurlaubung in Kenntnis gesetzt hätte.
»Schießen Sie los!«
»Wir haben vor zwei Stunden Birchs Leiche gefunden. In einem alten Spielzeugladen hier in Detroit.«
Ethan schloss für einen Moment die Augen. »Sind Sie sicher ?«
Gladys schaute fragend und legte ihr Ohr an die andere Seite des
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