Abraham Lincoln - Vampirjäger
mit denen er sich verteidigen konnte … Blut, das sie von seiner Fährte abbringen würde … irgendetwas in der Art.
Aber an jenem Sonntagnachmittag gab es keine Tierkadaver im Schlachthof. Keine Arbeiter, die den Rindern die Kehle durchschnitten. Bloß Dutzende von Metallhaken, die von Dachsparren hingen und die die Sonnenstrahlen des fortgeschrittenen Tages reflektierten, die durch die geöffneten Tore an beiden Enden des langgezogenen Gebäudes drangen. Der Fremde hastete über den blutbefleckten Holzboden auf der Suche nach einem Ort, an dem er sich verstecken, oder einer Waffe, die er zu seiner Verteidigung einsetzen könnte. Er fand keines von beidem.
Der Fluss … ich könnte sie im Fluss abhängen …
Er spurtete auf eine offene Tür am hinteren Ende zu, wild entschlossen, hinunter zum Potomac River zu fliehen. Einmal dort angekommen, würde er sich in seine Fluten stürzen und entkommen. Doch sein Fluchtweg wurde durch die Silhouette eines Mannes versperrt.
Die andere Tür …
Der Fremde blieb stehen und fuhr herum – hinter ihm waren noch zwei weitere Silhouetten zu sehen.
Es gab kein Entrinnen.
Er stand etwa in der Mitte des Gebäudes, während sich seine Verfolger langsam und vorsichtig von beiden Seiten näherten. Sie würden ihn einfangen. Foltern. Würden wissen wollen, wer ihn geschickt und was er mit dem Jungen gemacht hatte. Und wenn sie ihn ergriffen, bestand die Gefahr, dass er ihnen alles gestehen würde. Das konnte er nicht zulassen.
Der Fremde lächelte, während seine Verfolger immer näher kamen. »Ihr sollt wissen«, rief er, »dass ihr die Sklaven von Sklaven seid.« Er holte tief Luft, schloss die Augen. Mit einem Satz sprang er hinauf zu einem der herunterhängenden Haken und stieß ihn sich selbst ins Herz.
Ich nehme an, dass er in den letzten Augenblicken, als sein Körper sich verkrampfte und ihm das Blut aus Nase und Mund lief – das sich mit dem der Tiere am Boden verband – , die Flammen der Hölle unter seinen Füßen gesehen und den Beginn seiner ewigen Qualen verspürt hat. Ich nehme an, er war voller Angst.
Während die Wachen das Weiße Haus abriegelten und das gesamte Anwesen durchforsteten, saß Willie im Arbeitszimmer seines Vaters und berichtete, während ein Arzt ihn untersuchte, gefasst, was passiert war.
Der Fremde habe seinen Kopf gepackt, sagte er, seinen Mund aufgehebelt und etwas »Bitteres« hineingeschüttet. Ich musste sofort daran denken, wie meine Mutter an einer winzigen Dosis Vampirblut gestorben war, und verfiel in stille Verzweiflung bei dem Gedanken, mit ansehen zu müssen, wie meinen geliebten Jungen das gleiche Schicksal ereilte. Der Arzt konnte keinerlei Anzeichen von Verletzungen oder Symptome einer Vergiftung feststellen, ließ Willie aber dennoch sicherheitshalber ein paar Löffel Kohlepulver 57 schlucken (eine Erfahrung, die er als weitaus schlimmer empfand als den Übergriff selbst).
57 Aktivkohle ist lange Zeit als Gegenmittel bei Vergiftungen verwendet worden. Es wirkt, indem es die Gifte bereits in den Gedärmen absorbiert, bevor diese in den Blutkreislauf gelangen können.
In dieser Nacht kümmerte sich Mary um Tad (der von den Ereignissen des Tages recht mitgenommen war), während ich an Willies Bett saß und seinen Schlaf bewachte, auf jedes noch so kleine Anzeichen von Krankheit achtend. Zu meiner großen Erleichterung schien es ihm am nächsten Morgen besserzugehen, und ich fing an, die leise Hoffnung zu hegen, dass wir noch einmal mit dem Schrecken davongekommen waren.
Aber als der Montag voranschritt, wurde Willie immer schwächer, sein Zustand verschlechterte sich zunehmend – und in der zweiten Nacht bekam er Fieber. Die Amtsgeschäfte kamen zum Erliegen, weil Willies Zustand immer besorgniserregender wurde, und die besten Ärzte von ganz Washington wurden herbeigerufen, um ihn zu heilen.
Sie taten alles in ihrer Macht Stehende, um seine Symptome zu behandeln, konnten aber kein Heilmittel finden. Drei Tage und drei Nächte lang hielten Mary und ich an seinem Krankenbett Wache, beteten für seine Genesung, hofften inständig, dass seine Jugend und die Vorhersehung ihm darüber hinweghelfen würden. Ich las ihm Passagen aus seinen Lieblingsbüchern vor, während er schlief, fuhr ihm mit den Fingern durch das weiche, braune Haar und wischte ihm den Schweiß von der Stirn. Am vierten Tag schienen unsere Gebete endlich erhört worden zu sein. Willies Zustand begann sich langsam zu bessern, und ein schwacher
Weitere Kostenlose Bücher