Abraham Lincoln - Vampirjäger
ist es, dafür zu sorgen, dass du diesen Kampf gewinnst.«
SIEBEN
DER VERHÄNGNISVOLLE ERSTE
Ich bin zu dem Schluss gekommen, nie mehr ans Heiraten zu denken, und zwar aus folgendem Grunde: Ich könnte mich niemals mit jemandem zufriedengeben, der einfältig genug wäre, sich für mich zu entscheiden.
Abraham Lincoln in einem Brief an Mrs. Orville H. Browning vom 1. April 1838
I
Abe befand sich im ersten Stock des Herrenhauses einer Plantage. Auf seinen Reisen entlang des Mississippi hatte er schon so viele davon gesehen: diese überdimensionalen Wunderwerke mit Säulenportal, die von Sklavenhand errichtet wurden. Aber noch nie hatte er eines von ihnen betreten. Nicht bis zum heutigen Abend.
Ich hielt Jack in den Armen, und aus der tiefen Furche, die sich quer über seinen Bauch zog, quollen die Eingeweide hervor. Ich sah, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich … die Angst in seinen Augen. Und dann die Leere. Mein mutiger, unerschütterlicher Freund. Der härteste Mann von ganz Clary’s Grove. Tot. Und doch konnte ich jetzt nicht um ihn trauern – denn auch ich war dem Tod gefährlich nah.
Es war ein weiterer einfacher Auftrag gewesen, nur ein weiterer Name auf Henrys Liste. Doch dieser Ort war anders. Außergewöhnlich. Abe kniete neben Jack und war sich sicher, dass er in ein Vampirnest geraten war.
Wie viele von ihnen an diesem Ort waren, wusste ich nicht. Ich legte Jacks toten Körper ab und betrat mit meiner Axt in der Hand einen weitläufigen Flur, mein langer Mantel zerrissen von derselben Klaue, die meinem Freund das Leben genommen hatte. Der Korridor war gesäumt von offenen Türen, und als ich vorsichtig weiterging, offenbarte mir jede einzelne von ihnen einen noch grausigeren Anblick. In einem Raum hingen die kleinen Körper dreier Kinder an einem Seil um die Knöchel und mit aufgeschlitzten Kehlen von der Decke. Unter ihnen standen Kessel, in die ihr Blut tropfte. In einem anderen Zimmer erblickte ich den verdörrten Leib einer Frau mit blinden, weißen Augen, die in einem Schaukelstuhl saß. Eine ihrer skeletthaften Hände ruhte auf dem Kopf eines Kindes, das auf ihrem Schoß saß und noch nicht ganz so verwest war wie sie. Weiter den Korridor entlang … die sterblichen Überreste einer Frau in einem Bett. Ferner … ein zusammengesunkener Vampir mit einem Pfahl im Herzen. Immer wieder hörte ich knarrende Geräusche. Sowohl über mir als auch unter mir. Ich schlich weiter den Flur entlang … kam der Treppe an seinem Ende immer näher. Als ich das Geländer erreicht hatte, wandte ich mich noch einmal um. Plötzlich stand jemand dicht vor mir. Ich wusste, dass es ein Vampir war, obgleich ich sein Gesicht im Gegenlicht nicht erkennen konnte. Er riss mir die Axt aus der Hand und warf sie außer Reichweite … packte mich am Kragen und hob mich hoch in die Luft. Nun konnte ich sein Gesicht sehen.
Es war Henry.
»Es ist deine Bestimmung, die Menschheit von der Tyrannei zu befreien, Abraham«, sagte er. »Und um das zu tun, musst du sterben.«
Darauf warf er mich über das Treppengeländer. Mein Körper stürzte auf den Marmorboden der Eingangshalle zu. Und stürzte. In alle Ewigkeit.
Dies war der letzte Alptraum, den Abe in New Salem haben sollte.
Er hatte Monate gebraucht, um die lähmende Depression, ausgelöst durch Anns Tod, hinter sich zu lassen – und obwohl er seinen Hass auf Vampire noch weiter geschürt hatte, fehlte ihm nun die Energie und die Leidenschaft, sie weiter zu jagen. Wenn ihn nun ein Brief mit Henrys Handschrift aus St. Louis erreichte, blieb dieser oft tagelang ungeöffnet (und wenn er ihn dann gelesen hatte, mochte es noch weitere Wochen dauern, bis sich Abe um die Namen darin kümmerte). Manchmal, wenn der Auftrag mit einer zu weiten Reise verbunden war, schickte er Jack Armstrong an seiner statt. In einem Eintrag vom 18. November 1836 wird seine Niedergeschlagenheit deutlich.
Ich habe mich schon zu sehr verausgabt. Künftig werde ich nur noch auf Vampirjagd gehen, wenn es mir gelegen kommt und wenn es dem Andenken meiner engelsguten Mutter und dem von Ann zur Ehre gereicht. Ich schere mich weder um den ahnungslosen Herrn auf der nachtfinstren Gasse noch um den Neger, der auf der Auktion verkauft wird, oder das Kind, das aus seinem Bette gerissen wird. Sie zu beschützen hat mir nicht den geringsten Vorteil gebracht. Im Gegenteil, es hat mich nur noch ärmer werden lassen, denn mit den Gerätschaften, die für meine Jagdzüge nötig sind, musste ich mich auf
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