Abraxmata
sich Murus’ Worte wirklich bewusst zu werden.
»Wieso wieder?«, krächzte Murus und rollte sich zusammen. »Ich habe dich gestern vor dem ersten Sonnenstrahl gesehen und habe dich mit den letzten Strahlen verabschiedet und sehe dich heute mit dem ersten Tageslicht, das in meine Augen fällt.« Dann fügte er kleinlaut hinzu, ehe er seine Augen wieder schloss: »Aber du kannst mir trotzdem gerne sagen, was du dir gestern Abend gewünscht hast.«
Wenige Sekunden später vernahm Abraxmata wieder ein gleichmäßiges, tiefes Atmen und entfernte sich leise aus Murus’ kunstvollem Blätternest.
In der Gegenwart war also gar keine Zeit vergangen, während er in der Vergangenheit war. Aber gestern hatte er sich doch in der Gegenwart mit Askan unterhalten. Hatte er einen Tag zweimal erlebt und verschiedene Sachen getan?
Er badete seine Plattfüße im Bach und versuchte, seine Seele einfach mal baumeln zu lassen, einfach mal nichts zu tun und vor allem nicht ständig über Dinge, die mit seinen Kräften zu tun hatten, nachzudenken. Schließlich hatte Askan ja selbst zu ihm gesagt, er solle sich ausruhen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, sich nicht zu konzentrieren und nicht zu denken. Doch gerade, wenn man mit aller Macht versucht, etwas nicht zu tun, dann tut man es automatisch, und so schossen die Gedanken wie grelle Blitze wild durch seinen Kopf und ließen ihm keine Ruhe.
Erschrocken zog er seinen Fuß zurück, als plötzlich etwas danach gegriffen hatte. Ein alter, verbeulter, brauner Hut aus Stroh und dünnen Ästen geflochten, mit einer grünen Feder an der Krempe, die in ein Band aus grünem Gras gesteckt war, kam zum Vorschein. Dann ein besonders dicker Strohhalm, aus dem Abraxmata eine Wasserfontäne entgegenschoss. Mit seiner dicken grünen Knollnase und prustend vor Lachen, aus Freude, dass sich Abraxmata erschreckt hatte, tauchte Chamor auf. Übers ganze Gesicht grinsend, strahlte er aus seinen tiefbraunen Augen heraus nach oben. »Hast du Lust mitzukommen, es macht einen riesigen Spaß!«, und er streckte seine dunkelbraun-grüne unförmige Hand aus und hielt Abraxmata einen Strohhalm hin.
Seit er aufgetaucht war, hatte Abraxmata für einen Moment all die anstrengenden Gedanken, die ihn quälten und verfolgten, vergessen können und so griff er nach dem Strohhalm und tauchte mit dem freundlichen Monolito ab in die angenehm kühlen Fluten des Mondschattenbaches.
Die Sonne tauchte die Unterwasserwelt in ein tiefblaues Licht. Abraxmata atmete gleichmäßig durch seinen Strohhalm und folgte dem grünen Schatten Chamors. Auf den in allen Braun- und Gelbtönen leuchtenden Steinen bewegten sich Muscheln in allen erdenklichen Farben. Die leichte Strömung trieb sie in langes, dünnes, dicht wachsendes Seegras, das sie am Bauch kitzelte. Chamor kicherte so laut, dass Abraxmata ihn sogar unter Wasser hören konnte. Abraxmata beobachtete ihn, wie er sich im grünen Gestrüpp hin und her wand, sich mal auf den Rücken und mal auf die Seite drehte und das Grün seines Körpers mit dem der Wasserpflanzen verschwamm. Nur sein Hut und seine Augen sah Abraxmata noch im Tang huschen. Der Azillo folgte dem grünen Blitz. Als Abraxmata den Mund öffnete, als auch ihn die langen grünen Halme zwischen den Zehen kitzelten, erstickte ein großer Schwall Wasser sein Lachen. Das Wasser musste von oben hier grün aussehen, was ihm verriet, dass sie sich in der Nähe von Pentons Insel befinden mussten.
An einem großen grauen Felsen, der aus dem Wasser ragte, schimmerten jede Menge Eikos orangefarben im Licht. Das Wasser wurde sehr seicht und Abraxmata bemerkte, dass er von Chamor nur noch die großen länglichen Füße bis zu den Knien im Wasser sah. Noch rechtzeitig, bevor er sich irgendwo anstieß, erhob sich auch Abraxmata aus dem Wasser. Rechts neben ihnen lag Pentons Insel, still vom Wasser umspült. Auf den ersten Blick war von Penton nichts zu sehen. Abraxmata suchte mit den Augen den kleinen Sandstrand ab, von dem aus Penton normalerweise ins Wasser glitt, um zu schwimmen. Aber kein ockergelber Schleim, der verraten hätte, dass Penton vor kurzem den Wasserweg gewählt hatte, war zu sehen. Abraxmata wäre gerne ans Ufer geklettert und hätte Penton gesucht, um mal wieder mit ihm zu reden, aber Chamor war schon fast hinter der nächsten Biegung verschwunden. Spritzend lief Abraxmata ihm nach, bis das Wasser wieder so tief war, dass die beiden von selbst darin verschwanden und nur noch die zwei
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