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Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Titel: Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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können.
    »Nikos glaubte, dass ihm für seinen politischen Kampf alle zu Dank verpflichtet waren, Herr Kommissar. Mit derselben Logik verteilte er später Seminarscheine an die gewerkschaftlich organisierten Studenten, weil er glaubte, dass er ihnen etwas schuldig war. Nicht, weil sie Widerstandskämpfer waren, sondern weil sie ihn als Gewerkschafter unterstützten. Selbst seine Doktorarbeit hat er zusammengestohlen.«
    »Zusammengestohlen?«, frage ich, obwohl mir diese Bemerkung wenig Eindruck macht, da mir aus der Zeit von Katerinas Studium bekannt ist, wie viele Doktoranden ohne jeden Skrupel aus fremden Arbeiten abschreiben.
    »Haben Sie einen Zettel?«, fragt mich Kasantsis.
    Ich ziehe mein Notizbuch heraus und schiebe es ihm hinüber. Dort schreibt er mir einen Link auf. Uli hat mir zum Glück gerade den Begriff erklärt.
    »Ein Student, der sich an ihm rächen wollte, weil er ihn mehrmals durchfallen ließ, hat die Doktorarbeit, die Nikos als Vorlage diente, ausfindig gemacht und die betreffenden Stellen ins Internet gestellt. Ich weiß nicht, ob der Link immer noch aktuell ist. Aber auch wenn Sie kein Jurist sind, werden Sie sich angesichts dieses frechen Plagiats die Augen reiben. Sein Doktorvater und die Prüfungskommission müssen davon gewusst haben, doch sie haben beide Augen zugedrückt.«
    Ich werde Katerina den Link weitergeben und sie bitten, ihn zu prüfen. Man kann nie wissen, vielleicht stellt sich heraus, dass Theologis’ Plagiat etwas mit seiner Ermordung zu tun hat.
    »Der Gerechtigkeit halber muss ich sagen, dass er nicht der Einzige war, Herr Kommissar. Viele, die sich gegen die Junta gestellt hatten, wandelten ihr politisches Engagement später in bare Münze um. Weil ich mich daran nicht beteiligen wollte, stellten sie mich als Trottel und als Strohkopf hin, ja man hat mich sogar grob beschimpft. Schließlich war ich es leid und habe mein Studium an den Nagel gehängt. Ich fand eine Stelle in der Privatwirtschaft und habe den Kontakt zu meinen ehemaligen Kommilitonen abgebrochen. In der Krise ging das Unternehmen allerdings pleite, und ich wurde arbeitslos. Heute bin ich ausgesteuert und lebe hier. Das ist meine kleine Lebensgeschichte«, fügt er mit einem Lächeln hinzu. Er beschränkt sich auf die Tatsachen, ohne verbittert zu wirken.
    »Glauben Sie, dass die Details aus Nikos Theologis’ Vergangenheit, die Sie mir geschildert haben, der Grund für seine Ermordung gewesen sein könnten?«, will ich von ihm wissen.
    »Hm, da fragen Sie mich zu viel. Mit Sicherheit sind nicht alle, die sich nach der Juntazeit überall bedient haben, zur Verantwortung gezogen worden. Wenn jetzt Nikos einer der wenigen sein sollte, die dafür bezahlen mussten, dann war das keine göttliche Gerechtigkeit, sondern eher nur eine unglückliche Fügung.«
    Aufgrund seiner Aussage und seiner persönlichen Biographie käme Kasantsis für den Mord an Theologis in Frage. Doch warum sollte er vierzig Jahre lang warten, bevor er ihn umbringt? Hier liegt das Kernproblem bei beiden Morden, wenn man sie mit dem Polytechnikum in Verbindung bringt. Wieso sollte ein Mörder vierzig Jahre lang stillhalten und ausgerechnet jetzt zuschlagen? Da es keine Antwort auf diese Frage gibt, kehren wir notgedrungen zur Variante des Serientäters zurück.
    »Wie haben Sie seine Tochter kennengelernt?«, frage ich – weniger, weil die Antwort für die Vernehmung relevant wäre, als aus persönlicher Neugier.
    »Loukia ist damals, als ich noch Arbeit hatte, eines Tages zu mir gekommen. Sie hat mich gebeten, ihr die ganze Wahrheit über ihren Vater zu sagen. Das habe ich getan – genauso wie Ihnen eben. Als ich fertig war, sagte sie bloß: ›Meine Kommilitonen hatten also recht.‹ Seit damals besucht sie mich regelmäßig.«
    »Hat sie Ihnen nicht vorgeschlagen, ins Obdachlosenheim zu ziehen?«
    »Doch, aber ich wollte den Zusammenhalt, der sich hier gebildet hat, nicht aufgeben.« Er lacht auf. »Sehen Sie, wir sind mittlerweile so viele, dass man von einer richtigen Gemeinschaft sprechen kann.« Er wird wieder ernst. »Wenn Sie mich des Mordes verdächtigen, Herr Kommissar, dann kann ich nur sagen, dass ich Nikos schon dadurch bestraft habe, dass ich seiner Tochter die Augen geöffnet habe. Was er weiter getrieben hat, interessiert mich längst nicht mehr.«
    Wir kehren zu dem Gemischtwarenladen zurück. Safiris sitzt immer noch auf demselben Platz. Als ich mich von Kasantsis verabschiede, erhebt sich Safiris, um mich zum Ausgang

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