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Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Titel: Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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lobte er höflich meine Auffassungsgabe, statt seine eigenen Fähigkeiten hervorzukehren.
    Zum Lohn bekam er gefüllte Zucchini mit Zitronensoße, die er hinunterschlang. Dabei murmelte er mit vollem Mund vor sich hin: »Delicious!«
    Eigentlich hätte ich mich heute Morgen an den Computer setzen und allein weiterüben können. Doch da ich seit Jahren meine Schlaflosigkeit mit dem Dimitrakos-Wörterbuch bekämpfe, wäre alles andere Verrat gewesen.
    Jetzt fahre ich auf die Attika-Autobahn. Das Gute an dieser Umgehungsstraße ist, dass sie nur selten verstopft ist. Bis zum Flughafen brauche ich eine gute halbe Stunde. Dort lasse ich den Seat auf dem Parkplatz stehen und nehme die Rolltreppe zur Abflughalle hoch.
    Beim Betreten der Wartehalle fällt mein erster Blick auf Herrn Safiris. Er muss an die achtzig sein. Hoch aufgerichtet sitzt er in seinem Zweireiher auf einem der Wartestühle zwischen den zwei Selbstbedienungsrestaurants und blickt zum Kontrollschalter hinüber, an dem die Reisenden die Bordkarten vorweisen müssen. Selbst im Sitzen überragt er die anderen Wartenden um ein ganzes Stück. Ich gehe zu ihm hinüber und frage ihn, ob er Herr Safiris sei.
    »Ja, der bin ich«, entgegnet er.
    »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«
    Mit flackerndem Blick schaut er sich um. Offenbar möchte er prüfen, ob ich allein oder in Begleitung gekommen bin. Schließlich steht er auf und tritt an mich heran.
    »Ich bin Kommissar Charitos. Loukia Theologi schickt mich zu Ihnen«, stelle ich mich vor. »Ich möchte Stelios Kasantsis sprechen. Loukia hat mir gesagt, dass Sie mich zu ihm führen können.«
    Er beruhigt sich augenblicklich, fordert mich auf, ihm zu folgen, und führt mich in die Ankunftshalle hinunter.
    »Wir sind etwa fünfzehn Wohnungslose, denen der Flughafen als Behausung dient«, sagt er auf seine etwas seltsame, altmodische Art, während wir die Rolltreppe hinunterfahren. »Wir leben über die Hallen verstreut, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Wir sind hier ungebetene Gäste, und die Flughafenbehörde setzt alles daran, uns von hier fortzuschicken.«
    Auf einem der Wartestühle gegenüber von einem Gemischtwarenladen, der von Zeitungen über Süßwaren und Fast Food alles Mögliche verkauft, sitzt ein bärtiger Typ mit Brille und Sportjacke. Safiris beugt sich zu ihm hinunter und flüstert ihm etwas ins Ohr. Nachdem mich der Mann taxiert hat, erhebt er sich und kommt auf mich zu.
    »Sie kommen von Loukia?«, fragt er, um sich zu vergewissern.
    »Ja, Herr Kasantsis. Und ich möchte Ihnen ein paar Fragen über Nikos Theologis stellen. Wo können wir einen Kaffee trinken und uns unterhalten?«
    »Kommen Sie.«
    Safiris übernimmt seinen Sitzplatz, während mich Kasantsis zu einer Cafeteria hinter dem Postamt lotst. Nachdem ich bestellt habe, nehmen wir an einem Tischchen Platz.
    »Was wollen Sie über Nikos Theologis wissen?«, fragt er mich, nachdem er einen Schluck von seinem Tee genommen hat.
    »Sie wissen vermutlich, dass er ermordet wurde.«
    »Hab davon gehört.«
    »Waren Sie gar nicht betroffen?«, frage ich aufs Geratewohl.
    »Nein, Herr Kommissar. Für mich ist Nikos seit vierzig Jahren so gut wie tot.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, frage ich erstaunt.
    Er macht eine Pause, um seine Gedanken zu ordnen, und erklärt:
    »Ich habe mit Nikos an derselben Fakultät studiert. Wir waren damals unzertrennlich, Herr Kommissar. Er hatte einen scharfen Verstand und war ein mustergültiger Student. Gemeinsam haben wir uns an der Besetzung der juristischen Fakultät und an den Aktionen am Polytechnikum beteiligt. Mich haben sie erwischt, aber er wurde von Thekla, seiner späteren Frau, versteckt und ist davongekommen. Als wir nach dem Fall der Junta an die Uni zurückkehrten, war Nikos wie ausgewechselt.«
    »Inwiefern?«
    »Nikos hat keinen Finger mehr gerührt fürs Studium und dennoch alle Prüfungen bestanden. Aber nicht als der gute Student, der er früher war, sondern in seiner Eigenschaft als Widerstandskämpfer. Er hatte keinerlei Hemmungen. Als ich mich darüber wunderte, meinte er: ›Komm schon, Alter. Wir konnten unser Studium nicht abschließen, ich war im Untergrund, du bist bei der Militärpolizei gefoltert worden. Das Land ist uns etwas schuldig. Die Uni ist uns etwas schuldig. Durch unsere Opfer hat sie gesellschaftliche Anerkennung gewonnen. Sollte sie sich da nicht erkenntlich zeigen?‹«
    Er pausiert, um seine Beherrschung wiederzuerlangen und einigermaßen ruhig sprechen zu

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