Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
erwidert er lächelnd. »Soll ich Ihnen etwas sagen? Es ist gar nicht so schlimm hier. Ich würde sogar sagen, dass mein Leben hier drin mehr Sinn hat als in Freiheit. Ich leite hier sozusagen eine Zweigstelle unseres Nachhilfeinstituts zur Unterstützung der Gefangenen«, fügt er hinzu.
»Ich habe von Petrakos gehört, dass Sie Ihr Erbe ausgeschlagen haben«, sage ich.
»Hätte ich die Firma übernehmen wollen, dann hätte ich das Angebot meines Vaters angenommen. Da ich weder meinen Vater noch seine Firma besonders mochte, werde ich keine Vermögenswerte meines Vaters übernehmen. Es wäre unmoralisch, das Erbe anzutreten.«
»Die Firma ist ohnehin kurz vor der Pleite. Das hat mir Petrakos erklärt.«
»Na hoffentlich«, lautet sein trockener Kommentar.
»Wir haben entdeckt, dass Lakodimos mit Petrakos’ Hilfe von den Geschäften Ihres Vaters profitiert hat.«
Er lacht auf. »Nur Lakodimos? Bei dieser Generation profitierten alle von allen, Herr Kommissar. Wer da nicht mitgemacht hat, der konnte einpacken.«
»Kyriakos, ich brauche Ihre Hilfe. Kennen Sie jemanden, der mehr über die Geschäfte Ihres Vaters weiß? Ich habe den Verdacht, dass dort das Mordmotiv zu suchen ist.«
»Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich mit den Angelegenheiten meines Vaters nichts zu tun haben wollte. Daher weiß ich nicht, in welche Geschäfte er verstrickt war. Die Einzige, die Ihnen vielleicht helfen könnte, ist meine Mutter.«
»…die nicht ansprechbar ist.«
»Gestern hat man erneut versucht, sie zu Bewusstsein zu bringen. Ich wollte sie sehen, aber man sagte mir, ihr Zustand sei noch nicht stabil und sie müsse jede Aufregung vermeiden.«
Also wieder eine Sackgasse. Das ist zwar ärgerlich, doch daran trägt Kyriakos keine Schuld.
»Dann will ich Sie nicht weiter aufhalten«, sage ich zum Abschied.
»Wissen Sie, was ein Freund einmal zu mir gesagt hat, Herr Kommissar?«, fügt er noch hinzu, bevor er wieder abgeführt wird. »Verbrecher landen alle früher oder später im Knast. Ich sehe hier jedoch nicht mehr Verbrecher als draußen. Denken Sie nur an meinen Vater und Lakodimos.«
26
Obwohl ich dringend mit Frau Demertsi sprechen möchte, verschiebe ich mein Telefonat mit dem Krankenhaus auf morgen. Wenn man selbst ihrem Sohn keine Besuchserlaubnis gegeben hat, wird man mir auch keine Vernehmung gestatten. Außerdem bin ich hundemüde und fahre deshalb besser nach Hause. Wenigstens wird mein Kopf dadurch wieder klar.
Auf dem Nachhauseweg beschließe ich, kurz bei der Bank anzuhalten und nachzusehen, ob der Zehntage- beziehungsweise Wochenlohn auf meinem Konto eingegangen ist oder ob – wie so oft in den letzten drei Jahren – im letzten Augenblick etwas dazwischengekommen ist.
Die teilweise Gehaltszahlung ist tatsächlich eingetroffen, doch als ich meinen Kontostand mit dem neuen Umrechnungskurs von Drachmen in Euro berechne, bekomme ich weiche Knie. Okay, sage ich mir, die Kürzungen setzen sich fort, nur die Methode hat sich geändert. Aus diesem Grund treffe ich eine schwere Entscheidung, die schon seit einiger Zeit im Raum steht. Ich beschließe, den Seat einzumotten. Adriani hat recht: Ich kann auch mit dem Bus zum Präsidium fahren und für meine Dienstfahrten einen Streifenwagen benutzen.
Das Handy reißt mich aus meinen Gedanken.
»Papa, kannst du bei mir im Büro vorbeikommen? Ich habe etwas über Theologis herausgefunden. Und ich habe eine Überraschung für dich.«
Noch eine Überraschung? Die unverhoffte Gehaltsüberweisung tut’s doch erst mal. Andererseits will ich Katerina nicht enttäuschen oder mit meiner schlechten Laune anstecken. Sie hat schon genug Sorgen.
»Ich bin gerade unterwegs. Ich komme gleich vorbei.«
Den Seat besteige ich mit dem bitteren Gefühl, dass das Büro meiner Tochter die erste Station auf seiner – für unbestimmte Zeit – letzten Fahrt sein wird.
Als ich das Büro betrete, erblicke ich vier ältere Herren, von denen mir zwei aus dem Obdachlosenheim bekannt sind. Sie rufen wie aus einem Mund: »Guten Abend, Herr Kommissar.«
Katerina empfängt mich mit einem Lächeln und drückt mir einen Kuss auf die Wange.
»Darf ich dir meine Leibwächter vorstellen? Onkel Lambros hat sie mir geschickt.«
»Lambros sorgt dafür, dass wir uns nicht mehr unnütz vorkommen«, sagt der eine zu mir. »Er findet für jeden von uns eine Aufgabe. Uns ist egal, ob der Job bezahlt ist oder nicht. Hauptsache, wir zählen nicht zum alten Eisen.«
»Hat Lambros sie noch alle?«,
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