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Abschaffel

Titel: Abschaffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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zufällig zwei Aspirin, fragte er Ronselt. Aspirin nicht, aber zwei Togal kann ich Ihnen geben, sagte er. Sind die gut? fragte Abschaffel. Mir helfen sie immer, sagte Ronselt. Das ist so eine Sache mit Schmerztabletten, sagte Abschaffel und schluckte zwei Togal. Sie redeten noch eine ganze Weile über Tabletten und Schmerzen, und es gelang Abschaffel, sich auf diese Weise aus dem allgemeinen Geschwätz zurückzuziehen.
     
    Am Abend wollte er fernsehen und Bier trinken, und zwar mindestens vier Stunden lang. Er wollte sich das komplette zweite Programm ansehen, zuerst eine Diskussion über Eurokommunismus, dann Nachrichten und eine Sportsendung und zum Abschluß ein Fernsehspiel. Er wußte, daß er eigentlich über Margot trauerte, aber er wußte nicht, wie das ging, trauern. Er konnte sich nicht mit dem Gesicht an das Fenster stellen und eine Stunde lang auf ein anderes Fenster starren. Ein paarmal hatte er onaniert in den letzten Tagen und sich hervorragend an Margot erinnert, aber danach war es ihm immer schlechtgegangen. Diesmal wollte er es mit fernsehen probieren. Er würde sich auf den Boden setzen, Strümpfe und Schuhe ausziehen, sich an den Füßen spielen und am Kopf kratzen, Bier trinken und fernsehen. Dann hatte er das Gefühl, in einem Fahrstuhl zu liegen, der immerzu nach unten fuhr. Das wollte er wiederhaben, aber um halb acht rief überraschend Frau Schönböck an.
    Herr Abschaffel, sagte sie, hoffentlich störe ich Sie nicht. Nein, sagte er. Ich muß Sie noch einmal sprechen, und zwar wegen Branko, sagte sie. Er schwieg. Ich habe Ihnen nämlich nicht alles erzählt, sagte sie. Das ist auch nicht nötig, sagte er. Nein, natürlich nicht, sagte sie und lachte, so habe ich es auch nicht gemeint; in diesem Fall ist es aber nötig, weil ich Sie nämlich um etwas bitten möchte. Er schwieg. Also, sagte sie, ich muß jetzt noch einmal von dieser Geschichte anfangen. Dieser Junge ist nämlich ganz wahnsinnig in mich verliebt gewesen, und das ist so schlimm geworden, daß ich ihm schließlich gesagt habe, daß ich verheiratet bin, weil ich geglaubt hatte, daß er dann von mir abläßt. Und jetzt passen Sie auf, mein Gott, ist das peinlich, jetzt hat er mir eine Postkarte geschrieben, daß er mich morgen besuchen will, stellen Sie sich das einmal vor. Frau Schönböck atmete hörbar. Woher hat er Ihre Adresse? fragte Abschaffel. Die hatte ich ihm ganz am Anfang des Urlaubs gegeben, als ich noch nicht geahnt habe, daß er nicht mehr von meiner Seite weicht. Dann glaubt er Ihnen auch gar nicht, sagte er, daß Sie verheiratet sind; wenn Sie wirklich verheiratet gewesen wären, dann wären Sie sicher nicht so freigebig gewesen mit Adressenausteilen. Das stimmt, sagte sie und schwieg. Ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, um was ich Sie bitten möchte; ich hab mir nämlich gedacht, sagte sie, ob Sie nicht, wenn dieser Branko morgen abend kommt, zu mir kommen könnten, und ich stelle Sie dann als meinen Ehemann vor, damit dieser Branko mir nichts tut und einfach wieder geht, wenn er Sie sieht. Abschaffel lachte künstlich, um Zeit zu gewinnen und sich vorstellen zu können, was eigentlich im Kopf dieser Frau vor sich ging. Ach Gott, sagte sie, als er schwieg, bitte entschuldigen Sie das alles tausendmal, ich sitze schon eine Stunde lang vor dem Telefon und überlege, ob ich Sie das bitten soll oder nicht, und jetzt hab ich’s getan. Aber wenn ich Ihren Mann spiele morgen abend, sagte er, dann können Sie ja gar nicht mit ihm schlafen; dann sitzt Branko in seiner Ecke und bewegt sich nicht aus lauter Angst. Ja eben, sagte sie. Ja eben, sagte er, aber das wollen Sie doch gar nicht; denn eigentlich wollen Sie doch mit ihm schlafen, oder nicht? Frau Schönböck schien zu überlegen oder vielleicht auch nur zu warten, bis ihr eine Antwort in den Sinn kam. Frau Schönböck, sagte Abschaffel. Ja, sagte sie. Frau Schönböck, Sie haben mit dem Jugoslawen geschlafen. Ja, sagte sie. Und zwar haben Sie mit ihm geschlafen, weil Sie es wollten, sagte er. Ja, sagte sie. Dann haben Sie doch ein unangenehmes Gefühl bekommen, nicht wahr, so ein junger Mensch und Sie eine Frau von dreiunddreißig Jahren, auch noch auf einer Urlaubsreise, das ist ein bißchen abgeschmackt, nicht wahr, und dieses unangenehme Gefühl wollten Sie einfach dadurch beseitigen, indem Sie behaupteten, Sie seien verheiratet. Ja, sagte sie. Sie haben natürlich niemals damit gerechnet, daß dieser Branko nach Frankfurt kommen könnte, sagte er. Nein, niemals,

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