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Abschied aus deinem Schatten

Abschied aus deinem Schatten

Titel: Abschied aus deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Vale Allen
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allemal lieber, als lästige Intimitäten über sich ergehen lassen zu müssen, bei denen sie als Fremdenführerin für den eigenen Körper herhalten musste. Genau das, so kam ihr nun in den Sinn, hätte sie Reid wohl besser mitgeteilt. Doch viel ausgemacht hätte es sowieso nicht mehr; schließlich hatte sie, als sie die Initiative an sich riss und ihn küsste, den entscheidenden Schritt bereits getan. Nun war es zu spät.
    Als sie schließlich mit einem Buch im Bett lag, versuchte sie, sich zu konzentrieren, musste aber feststellen, dass sie mehrmals nacheinander denselben Absatz las, sodass sie die Lektüre beiseite legte und das Licht ausmachte, froh, diesen langen Tag endlich hinter sich zu haben. Am folgenden Morgen würde in aller Herrgottsfrühe bereits die Müllabfuhr vorfahren. Dann war das Videoband endlich fort.
    Oh Gott!
Schlagartig fuhr sie aus den Kissen auf. Die Kassette lag in der Tonne ganz oben! Die Müllmänner mussten sie sofort entdecken, wenn einer nur den Deckel hob. Den Kommentar konnte sie sich lebhaft vorstellen. „He! Nun guck sich das einer an! Da schmeißt einer ’ne unbeschädigte Videokassette weg!”
    „Nicht zu fassen, so was!”
    Einer der Arbeiter steckte sich die Kassette womöglich in die Overalltasche, nahm sie vielleicht mit nach Hause und schob sie nach dem Abendessen zum Spaß in den Rekorder …
    Mit einem Satz schnellte Rowena aus dem Bett und jagte in fliegender Hast die Treppe hinunter. Unten stoppte sie kurz, um ihren Code einzugeben, fegte den Flur entlang und verschwand durch die Hintertür. Innerhalb von fünf Sekunden hatte sie das Video aus dem Mülleimer gefischt und war schon wieder im Haus. Mit hämmerndem Puls stellte sie die Einbruchsicherung neu ein. Sie wollte nur einigermaßen zu Atem kommen und dann das Band zerschneiden.
    Die Leuchtziffern der Digitaluhr vorn am Bedienungsfeld des Elektroherds zeigten 23:12 an. Rowena machte Licht und setzte sich an den Küchentisch. Ihre Hände waren feucht. Sie legte die Kassette hin und wischte sich die Hände an der Pyjamahose ab. Ihr war, als befinde sie sich in jenem zerbrechlichen Haus im
Zauberer von Oz
und werde von ihr unbekannten Kräften in die Höhe gewirbelt. Wie ihr erst jetzt auffiel, trug diese Kassette im Gegensatz zu den anderen kein Etikett. Vielleicht war sie ja unbespielt und lediglich für Claudias nächsten Aufnahmetermin in Reserve gehalten worden!
    Um sich zu vergewissern, blieb nur eine Möglichkeit. Rowena ging ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein, schob das Band in den Kassettenschacht und ließ sich mit der Fernbedienung in der Hand auf dem Fußboden nieder.
    Etwa eine Minute war nichts als Geflimmer zu sehen. Dann, mit der Plötzlichkeit, die sie jedes Mal zusammenzucken ließ, wurde sie Zeugin, wie ihre nackte Schwester auf dem Bildschirm die Brüste darbot, als offeriere sie einem potenziellen Käufer ein Paar makellos feste Melonen. Diesmal allerdings entlockte die zu Claudias Standardrepertoire zählende Geste ihrem vollständig bekleideten und mit dem Rücken zur Kamera stehenden Partner keinerlei Reaktion. Davon unbeeindruckt, umgarnte Claudia den Mann weiter und schmiegte sich eng an seinen Körper, doch offenbar ohne Erfolg. Er fasste sie bei den Schultern und schob sie ein wenig von sich. Lächelnd hörte sie zu, wie er etwas sagte, schien sich jedoch nicht darum zu kümmern, sondern verstärkte noch ihre Bemühungen und spielte offenbar ihre gesamten Verführungskünste aus. Wie ein hartnäckiger Terrier zerrte sie an ihm herum und brachte ihn schließlich in eine Position, die sein Profil erkennen ließ.
    Ein stechender Schmerz jagte Rowena durch die Brust und verschlug ihr den Atem. Sie knickte vornüber, vernahm ein unheimliches Stöhnen wie von einem waidwunden Stück Wild, und in ihrer Verwirrung war ihr, als wäre in der Nachbarschaft ein Haustier überfahren worden. Der Laut steigerte sich zu einer primitiven Klage. Erst nach einigen Sekunden merkte Rowena, dass der Ton aus ihrer eigenen Kehle drang, so voll und ganz hatte die Qual von ihr Besitz ergriffen. Eine solche Tortur, einen solch abgrundtiefen Schmerz zu überstehen, das kam ihr unmöglich vor. Eng schlang sie die Arme um die Brust, wiegte den Oberkörper vor und zurück und begann laut und hemmungslos zu schluchzen, während Claudia auf dem Bildschirm nun ihr gesamtes erotisches Waffenarsenal aufbot. Ihr Gegner war Tony Reid.
    Die Zeit verstrich. Rowena tastete nach der Fernbedienung und stieß gegen die

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