Abschied aus deinem Schatten
Gäste, ihre Jacken und Mäntel an der Garderobe zu hinterlassen, schnappen sich die Speise- und die Weinkarten und geleiten die Gäste zu dem vorbestellten Tisch. Das war’s schon, und Sie machen das mit Sicherheit ganz hervorragend.” Er sah auf die Uhr und fragte dann lächelnd: „Ein Schlückchen auf die Schnelle? Mut antrinken?”
Rowena erwiderte sein Lächeln, lehnte aber ab. „Lieber nicht. Manchmal reicht bei mir ein Teelöffel Alkohol, und schon bin ich sternhagelvoll.”
„Na, dann später vielleicht. Im Allgemeinen köpfen wir beim Aufräumen eine Flasche von dem billigeren Wein.”
Er verabschiedete sich zu einem abschließenden Kontrollgang, um die Anordnung der Tische, die Tischtücher und den Tischschmuck wie Kerzen und Blumen zu überprüfen. Rowena nahm inzwischen ihren Platz an dem Tresen im Eingangsbereich ein, um schnell einen Blick auf die Reservierungen zu werfen und sich die Speisekarten anzusehen. Claudias Charme in allen Ehren – aber ohne Philippes Talent und Jills Fantasie hätte das „Le Rendezvous” es nie geschafft. Die Karte beschränkte sich auf vier Vorspeisen, drei unterschiedliche Salate, fünf Pastagerichte, fünf Entrees und drei Desserts, die je nach Jills Eingebungen regelmäßig wechselten. Alles, angefangen von den Bruschette über die pochierte Hühnerbrust mit Artischockenherzen und sonnengetrockneten Tomaten in Champagnersauce bis hin zum Nachtisch aus Zitrone mit Milch, Zucker und Wein war erstklassig. Das „Le Rendezvous” bot alles – Atmosphäre, aufmerksame Bedienung und eine exzellente Küche.
Gegen Viertel vor sieben trafen die ersten Gäste ein. Es war tatsächlich einfach für Rowena, sie in Empfang zu nehmen und sie, nachdem sie die Namen durchgestrichen und sich die Speisekarten gegriffen hatte, zu dem reservierten Tisch zu geleiten. Sie imitierte ein wenig ihre Schwester, indem sie den Gästen guten Appetit wünschte, fügte jedoch ihre eigene Note hinzu. „Sollten Sie noch etwas brauchen, lassen Sie es mich wissen.”
Zwischen halb acht und acht, als der Andrang richtig losging und die Neuankömmlinge sich im engen Foyer drängten, hatte Rowena alle Mühe, nicht nervös zu werden, da sie mit einem Mal bezüglich der Tischnummern unsicher geworden war. Während sie sich nochmals die Tischanordnung ansah, musste sie einige Gäste um Nachsicht und Geduld bitten und war fast in Schweiß gebadet, als endlich alles wieder seine Ordnung hatte. Doch offenbar machte es niemandem etwas aus, warten zu müssen. Nachdem schließlich jeder Gast am bestellten Platz saß, nahm Rowena sich die Zeit, um sich Nummern und Anordnung der Tische nochmals genau einzuprägen. Später am Abend traf ein sympathisches junges Paar ein, das zwar nicht reserviert hatte, das Rowena allerdings auch nicht abweisen mochte. Daher fragte sie Ian, ob sie die beiden nicht an der Bar unterbringen und selbst bedienen könne.
In Ians Miene spiegelten sich Überraschung und Zustimmung zugleich. „Wenn Sie sich das zutrauen – nur zu! Tun Sie sich keinen Zwang an!”
Abgesehen davon, dass sie um ein Haar vergessen hätte, die Salate für die beiden Gäste aus der Küche zu holen, bediente sie das Pärchen ohne weiteres Missgeschick. Die vier Stunden verflogen im Nu, und um kurz nach elf verließen die letzten Besucher das Lokal. Ian stand schon bereit, um hinter ihnen abzuschließen. Mae und ihre beiden Kollegen halfen den beiden Hilfskellnern, die Tische abzuräumen und für den Sonntagsbrunch aufzudecken. Philippe wickelte die Reste ein und verstaute sie im Kühlschrank, während Jill gerade einen Brotteig fertig gestellt hatte, der über Nacht aufgehen und am folgenden Morgen in den Backofen wandern sollte. Julio, die Küchenhilfe, packte gerade die letzte Ladung in die Geschirrspülmaschine.
Ian entkorkte zwei Flaschen Rotwein und schenkte dem Bedienungspersonal ein, das sich an dem großen Tisch neben der Küchentür niedergelassen hatte und Kassensturz machte. John, Mae und Doug addierten ihre Trinkgelder, gaben Luke und Mikey den ihnen zustehenden Anteil und schoben auch ein paar Scheine zu Rowena hinüber. „Ihr Trinkgeld für heute Abend”, erklärte Doug.
„Oh nein!” Sie wies das Geld zurück.
„Aber Sie haben bedient.” Das Geld wurde wieder zurückgeschoben.
„Hat Claudia denn Trinkgelder angenommen?” wollte Rowena wissen.
„Na klar”, erwiderte Mae. „Wenn sie bediente, dann auf jeden Fall. Die paar Mal, wo wir Gäste an der Bar essen ließen, hat sie
Weitere Kostenlose Bücher