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Abschied in Dunkelblau

Abschied in Dunkelblau

Titel: Abschied in Dunkelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Gerät erwachte wieder zum Leben. Vibration war zu spüren. Meeresrauschen. Wellengeräusche. Das Schiff trieb im Leerlauf dahin. Und eine ängstliche, hoffnungslose, leise weibliche Stimme sagte ganz in der Nähe: »Oh, nein. Oh, nicht mehr. Oh, bitte, mach das nicht mehr, bitte.«
    Ich lag zusammengeklappt im hinteren Teil des Cockpits. Ich mußte erst dahinterkommen, wem diese Stimme gehörte. Langsam. Der lieben kleinen Patty. Aber sie sollte eigentlich gar nicht hier sein. Ich hatte sie aus dem Drehbuch herausgeschrieben. Und Junior machte »Ho, ho, hooooh«, wie ein lustiger Weihnachtsmann. »Du bist ein hübscher, kleiner süßer Knopf«, sagte er, »du bist ein leckeres Mädchen.«
    Ich suchte mir ein Auge aus und stemmte es auf. Das rechte Auge. Es war, als müßte ich einen Laster mit dem Wagenheber aufbocken. Im Schein der Nacht war Junior Allen dabei, Miss Patricia Devlan ho, ho, hooh zu geben. Er bedrängte sie wie ein Bär und hatte sie mit dem Rücken gegen den Heckspiegel geklemmt, hielt ihre beiden dünnen Handgelenke mit einer Hand hinter dem Rücken fest, die andere hatte er ihr unter den Rock geschoben und drückte damit nach oben, so daß sie auf Zehenspitzen stand. Sie waren nahe genug, um über mich zu stolpern.
    Plötzlich drehte er sich um und schaute nach vorne; er knurrte, ließ sie los und ging zum Ruder. Eine Kurskorrektur; er setzte das Selbststeuergerät auf die richtigen Werte und kam wieder nach hinten, um sich zu amüsieren. Aber ich wollte nicht, daß irgend jemand Miss Devlan ho-ho-hoohte. Sie saß vornübergesunken da und schluchzte. Ich kam mit blitzartiger Geschwindigkeit auf die Beine - als ob ein Betrunkener im Halbschlaf einen dieser tückischen Wäschetrockner aufstellen wollte. Ich war zwölf Meter lang, zwei Zentimeter dick und hatte einen Kopf wie ein schlaffer Luftballon. Als Junior losbrüllte, schlang ich einen gefühllosen Arm um die Taille des Mädchens und warf mich zusammen mit ihr rücklings über die Reling und in das schwarze Wasser der Bucht, Ellbogen und Knie eingezogen. Ich spürte den Sog des Wassers und wartete darauf zu erfahren, wie sich eine Schraube anfühlt, wenn sie Hackfleisch aus einem macht.
    Wir tauchten in der Heckturbulenz auf, und ich sah, daß sich die Positionslichter in beruhigender Geschwindigkeit entfernten. Ich schaute mich nach den Lichtern am Strand um und orientierte mich. Wir befanden uns ungefähr eine Meile südlich des Kopftritts an einer Stelle, wo die Bucht breit, die Fahrrinne aber ziemlich schmal war. Sie warf ihr bleiches Kindergesicht nach hinten, das Haar klebte an ihrem Kopf wie bei einem schwarzen Seehund; sie gab die typischen Zischlaute völliger Hysterie von sich. Das Boot hörte auf, geradeaus zu tuckern, und röhrte in eine Wendekurve. Ich gab Miss Devlan eine gesalzene Ohrfeige, schubste sie in die beste Richtung und schrie sie an: »Schwimm, Baby!«
    Sie kam wieder zu sich. Sie schwamm wirklich sehr gut, überholte mich. Ich fühlte mich, als müßte ich mit vier gebrochenen Armen schwimmen. Und bei jedem Atemzug war ich davon überzeugt, daß er mir immer noch in den Bauch trat. Wir hatten einen guten Fluchtwinkel. Wir mußten noch fünfzehn Meter zurücklegen, um hinter die unter Wasser liegenden Geröllbänke vom Ausbaggern der Fahrrinne zu kommen. Er mußte rund einhundertfünfzig Meter zurücklegen. Ich hoffte, ich könnte ihn dazu bringen, das Boot auf Grund zu setzen. Aber ich hörte, wie er scharf drosselte und dann die Maschinen wieder aufbrüllen ließ, als er den Rückwärtsgang eingelegt hatte, damit es auf der Stelle trieb.
    »Schwimm weiter«, rief ich ihr zu. »Schwimm etwas weiter nach links.«
    Der Suchscheinwerfer erfaßte uns. Sie schwamm nicht weiter. Ich war mit zwei großen Zügen bei ihr und zog sie unter Wasser. Pistolen machen auf dem offenen Meer lächerliche, spuckende Geräusche. Und Geschosse, die neben einem einschlagen, machen komische Geräusche: Tssiii-onk. Tssiii-onk. Ich versuchte, uns beide mit den Beinen voranzubringen, da schaltete sie. Die Brustzüge unter Wasser fühlten sich an, als würde man mir die Rippen vom Brustknochen abreißen. Ich blieb zurück. Ich schnappte nach Luft, tauchte wieder unter und machte weiter. Ich peilte nach oben und konnte keine Lichter sehen, tauchte auf und sah hinter mich. Er drehte gerade eine große Kurve, richtete das Boot geradeaus und rammte es volle Kraft voraus südwärts nach Lauderdale.
    »Patty?« brüllte ich.
    »H-hier bin ich«,

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