Abschied nehmen
denen, die es für gewöhnlich nie zu einem Kampf kommen ließen, weil sie davon überzeugt waren, man könne alles auf einer friedlichen Basis lösen, doch das, was er nun tat, war ebenso untypisch für ihn.
Er hatte sich zumindest soweit unter Kontrolle, dass er den Ärger nicht provozieren würde, doch wenn ihm heute jemand einen Grund für einen Streit liefern würde, würde er nicht lange fackeln.
Als Marcus sich nach seiner endlosen Mahlzeit endlich dazu überreden ließ, mit dem Trinken zu beginnen, gesellten sich die anderen auch zu ihnen. Wie allabendlich bildeten sich kleinere und größere Grüppchen quer durch den Saal, die sich mit den Dingen beschäftigten, die ihnen Freude bereiteten.
Die älteren Frauen tratschten über ihre Männer und ihre Kinder, die in einigen Fällen zum Verwechseln ähnlich schienen, die jüngeren Frauen und Männer saßen nach dem Essen auch ab und an zusammen und liebäugelten und witzelten miteinander. Hier wurde gewürfelt, da wurden Karten gespielt und an Marcus’ Tisch wurde heute Abend eben getrunken.
Der Whisky floss in Strömen, denn alle schienen Williams Tempo angemessen zu finden und tranken fröhlich mit. Die Einzigen beiden, die dabei nicht so fröhlich waren, waren Marcus und William. Marcus war besorgt um seinen Schützling, dessen Miene sich immer mehr verdüsterte. Seine Aggressivität war mit seinem Alkoholpegel nicht gestiegen, doch mit jedem Whisky schien er unglücklicher zu werden. Sobald sie ungestört waren, würde er ihn auf seine Stimmung ansprechen, doch im Augenblick waren sie das nicht und so stellte er dies noch eine Weile zurück.
Es vergingen ein paar Stunden, in denen seine Freunde lustige Anekdoten und geheimnisvolle Geschichten erzählten, von denen William jedoch nur einen Teil mitbekam. In der übrigen Zeit war er damit beschäftigt, Marsailis schwärmenden Blicken auszuweichen und seinen Unmut unter Kontrolle zu halten. Nach einer Weile brauchte er davon eine Pause, so stand er auf und ging an die frische Luft.
Er trat in den Hof hinaus und atmete die frühlingshafte Luft ein. Er war müde und seine Laune war schon den ganzen Abend einfach miserabel und so befand er, dass es besser sei, wenn er gleich nicht mehr zurückkehren, sondern sich lieber zurückziehen und seinen Rausch ausschlafen würde. Sonst würde es heute vielleicht doch noch Ärger geben.
Vorher wollte er jedoch noch ein wenig hier bleiben, und da es sich in seinem Kopf zu drehen begann, setzte er sich auf den in seiner Nähe stehenden Wagen. Er hatte eben Platz genommen, als er plötzlich Stimmen vernahm. Langsam drehte er sich in die Richtung, aus der diese kamen und als ihre Blicke sich trafen, war es, als hätte ihn der Schlag getroffen.
Auch Kate wandte ihren Blick umgehend wieder ab, doch in ihren Gesichtern waren die Spuren, die diese Begegnung hinterlassen hatte, deutlich zu sehen.
Seit mehr als einer Woche war sie wie Luft für ihn gewesen. Er hatte, in der Hoffnung auf diese Weise über sie hinwegzukommen, stets durch sie hindurchgesehen und war froh gewesen, ihr so selten zu begegnen. Doch als er sie nun hier sah, wie sie mit Bryan an die Wand gelehnt dastand und sich mit ihm unterhielt, kam alles wieder in ihm hoch. Die Last seiner verletzten und unerwiderten Gefühle war mit einem Mal so schwer, dass er glaubte, sie nicht länger ertragen zu können. Er verbarg sein Gesicht in seinen Händen, bis ihn eine zarte Stimme aus seiner Abwesenheit rief.
„Hallo, William!“
In der Hoffnung sie sei es, blickte er auf, bereit alles zu verzeihen und zu vergessen, könnte er sie doch nur in die Arme nehmen und ihr seine Liebe beweisen.
Doch das blieb nur eine Wunschvorstellung.
Sie war es nicht und würde es auch nie sein. Statt in ihres blickte er in Marsailis Gesicht, die ihn bewundernd und besorgt zugleich ansah.
William warf einen Blick zu Kate hinüber, deren ganzes Interesse Bryan zu gelten schien und ohne ein Wort der Vorwarnung griff er nach Marsailis Arm, zog sie an sich zwischen seine angewinkelten Beine und seine Lippen landeten auf ihren.
Für einen Augenblick spürte er genau Kates Blick auf sich, so legte er noch mehr Leidenschaft in seinen Kuss und trotze ihr damit.
Er wusste genau – auch trotz der Tatsache, dass er betrunken war -, dass er nicht Kate, sondern eher Marsaili damit wehtun
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