Abschied und Wiedersehen
Lohengrin vorstellen müßte...«
Ich stammelte in tödlicher Verlegenheit meinen Namen. »Den habe ich doch irgendwo gelesen...«
»Ich habe beim Schuljubiläum in den Persern von Aischylos die Atossa gespielt - und in Lessings Schatz den Diener Maskarill...«
»Mein Göttchen!« rief sie mit einem kleinen Lachen, »ein berühmter Schauspieler! Wer hätte das gedacht?«
Das fand ich nun weniger nett von ihr, daß sie mich durch den Kakao zog, aber ich schluckte den Kakao tapfer hinunter.
»Davon müssen Sie mir erzählen! Theater und Theaterspielen war meine Leidenschaft von Kindheit an. Das begann bei den Kindervorstellungen mit Rotkäppchen und Dornröschen...»
»Und Sie waren das Rotkäppchen...?«
»Und das Dornröschen und Schneewittchen! Und später, als wir ein kleines Orchester gegründet hatten und uns sogar an Operetten wagten - ein wenig gekürzt natürlich -, da war ich - ob Sie es glauben oder nicht - sogar Frau Luna und die Rose von Stambul!«
Wie alt sie sein mochte? Dreißig - oder sogar darüber? Im Augenblick kam sie mir so jung vor wie das verflossene Kätchen. - Sie sperrte die Haustür auf, ließ mich eintreten, schloß die Tür hinter mir und bat mich, einen Augenblick lang zu warten. Ich stand in einem stockdunklen Vorraum, in dem es schwach nach Kampfer roch, und hörte, daß sie eine Schachtel mit Zündhölzern schüttelte. Dann flammte ein Hölzchen auf, und im selben Augenblick, in dem sie eine Kerze anbrannte, die in einem Zinnleuchter auf der Konsole des Garderobenspiegels stand, ertönte von oben eine Stimme...
»Gertrud?«
»Ja, Mama, ich bin es, und ich bin nicht allein. Ich habe einen jungen Kavalier mitgebracht, der so nett war, mich heimzubegleiten. «
»Gut, dann bringe ich die Teekanne herunter. Für die Gläser mußt du selber sorgen.«
»Nun legen Sie schon ab«, sagte sie und schlüpfte aus ihrem Pelzmantel. Neben dem Spiegel stand ein Kleiderständer aus braunem Nußbaumholz. Ich hängte meinen Mantel an einen der Haken und stülpte die Mütze darüber. Sie ergriff den Leuchter und ging mir voran. Die Kerze war zu schwach, um den ganzen Raum zu erfüllen, in den sie mich einzutreten aufforderte. Das Licht spiegelte sich in dem schräg angehobenen Deckel eines Stutzflügels, und vor einem offenen Klinkerkamin stand ein niedriger ovaler Mahagonitisch, um den drei Plüschsessel gruppiert waren. Auf dem Kaminsims blitzte ein blankpolierter dreiarmiger Messingleuchter, dessen Kerzen sie mit dem Licht, das sie in der Hand trug, anzündete.
»Es ist nicht sehr warm hier«, stellte sie fest, »aber der Tee und ein kleines Feuer im Kamin werden uns bald erwärmen.«
Auf dem Kaminrost waren Späne und kleine Holzscheite aufgerichtet. Ein Strohkorb neben dem Kamin war bis zum Rande mit Tannenzapfen gefüllt. Zeitungspapier, zu Fidibussen gefaltet, lag griffbereit darüber. Sie ließ einen der Fidibusse an der Kerze Feuer fangen und schob die Flamme zwischen die Späne. Sie loderten augenblicklich auf und füllten den Raum mit rötlich zuckenden Lichtern. Die flackernden Kerzen, das Kaminfeuer, die Gegenwart der Frau, ihre fremdartige Schönheit, der zarte Duft eines Parfüms - ich war wie in einen Zauberkreis geraten, der meinen Atem stocken ließ und meine Knie lähmte.
»So setzen Sie sich doch«, sagte sie und deutete auf einen Sessel. Mir versagten die Füße den Dienst. Es waren zwei oder drei kurze Schritte bis zu dem resedafarbenen Sesselchen, aber ich mußte mich zwingen, die bleischweren Beine in Bewegung zu setzen.
»Daß ich Ihnen noch nie in der Stadt begegnet bin...« sagte ich schließlich stockend.
»Ich rühre mich nicht viel aus dem Haus. Die Einkäufe besorgt meine Mutter und sonst - ab und zu hole ich mir ein Buch bei Stringe.«
»Dort bin ich doch fast jeden zweiten Tag...«
»Aber am Nachmittag, nicht wahr? Ich mache meine Besorgungen am Vormittag, wenn Sie in der Schule sind.« Die Tür zum Flur ging auf. Eine weißhaarige alte Dame brachte den Tee. Ich erhob mich, und Frau Fleming stellte mich ihrer Mutter vor. Die alte Dame bedankte sich bei mir, daß ich ihre Tochter durch die Dunkelheit heimbegleitet hätte, und antwortete auf Frau Flemings Frage, warum der Vater nicht mitgekommen sei, daß er sich mit seinem Schnupfen nicht unter Menschen zu gehen traue. Während sie die Kanne abstellte und mit einer Wärmehaube bedeckte, öffnete Frau Fleming eine Glasvitrine und stellte zwei Gläser mit kupfernen Henkeleinsätzen, ein Schälchen mit
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