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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Erfolg abzuhängen. Manchmal wünschte sie, er würde kündigen, und dann kam sie sich egoistisch vor und schwor, ihn noch stärker zu unterstützen. Wenn er scheiterte, dann nicht ihretwegen.
      Unten sprang die Geschirrspülmaschine wieder an. Vorher hatte sie brutzelnde Butter gerochen - Emily hatte den Jungs Frühstück gemacht.
      «Ich steh jetzt auf», sagte sie. «Meine Füße sind schweißnass.»
      «Willst du nicht dein Buch lesen?»
      «Ich kann unten lesen.»
      «Geh noch nicht», bat er und hielt sie fest.
      Das war alles, was sie wollte, und sie gab nach und ließ ihn sein Knie zwischen ihre Beine schieben. Der Geruch seiner Haut weckte in ihr heimische Gefühle, so wie ihre gemeinsame Wärme sogar diese rauen Laken vertraut machte. Diese Gemeinsamkeit bedeutete ihr unglaublich viel, und doch schien er das kaum zu bemerken. Manchmal stellte sie sich vor, dass er sie nicht liebte, dass er bloß ihr zuliebe so tat und ihr nur das Aller-nötigste gab, damit sie glücklich blieb. Wie viel leichter wäre es, wenn ihr das egal wäre.
      Sie knabberte im Spaß an seiner Schulter. «Was ist für heute geplant?»
      «Läuft ein Film, den die Kinder gern sehen würden? Gibt es nicht einen neuen mit Will Smith?»
      «Da willst du wohl kaum mit ihnen reingehen.»
      «Nein», gestand er, «aber die Jungs können nicht allein rein.»
      «Die Mädchen können ja auf sie aufpassen.»
      «Daraufhaben sie bestimmt keine Lust.»
      «Pech», sagte sie.
      «Du hast gestern zu viel Sonne abgekriegt.»
      «Ich weiß.» Sie drückte mit dem Finger auf ihre Nase. Die Haut fühlte sich dünn und zart an, als könnte sie einreißen. «Ich schmier Aloe drauf. Gibt es sonst nichts zu tun?»
      «Das Kasino.»
      «Als würden sie nicht schon genug Videospiele spielen.»
      Ihr Rücken tat weh, deshalb legte sie sich auf die andere Seite, und Ken drehte sich ebenfalls um, sodass beide die taubenblaue Wand anschauten. Vor einigen Jahren war mal ein Loch im Dach gewesen, und es war noch ein blasser Fleck zu sehen, der einer Flutmarke glich. Emily hatte für das Haus 325000 Dollar gefordert, doch sie hatte Ken nicht erzählt, wie viel sie dafür bekommen hatte. Wahrscheinlich so viel, wie sie verlangt hatte. In vier Jahren würde Ella aufs College gehen, und sie wussten nicht, wie sie das bezahlen sollten. Ihre Eltern hatten ihnen ihre Hilfe angeboten, aber insgeheim hoffte Lise, Ken würde ablehnen. Sie hatten schon genug von ihnen bekommen. Emily hatte ihnen noch nie einen Penny gegeben.
      Ken nahm ihre Brust in die Hand und spielte an der Brustwarze herum. Sie jagte seiner Hand nach, fing sie ein, wärmte sie an ihrem Bauch. Eins der Mädchen stand auf und ging ins Bad.
      «Ist das Ella?», fragte sie, und er richtete sich auf, um nachzusehen.
      «Ja.»
      «Wie spät ist es?»
      «Spielt das eine Rolle?»
      «Deine Mutter fragt sich bestimmt, wo wir alle bleiben.»
      «Wir haben Urlaub», sagte er. «Du kannst ausschlafen.»
      Sie lagen da, während der Regen aufs Dach prasselte, aber sie hatte begonnen nachzudenken, und ihre Gedanken schweiften durchs ganze Haus. Ella kam aus dem Bad, legte sich wieder hin. Die Toilettenspülung lief noch eine Weile und verstummte dann.
      «Ich bin wach», sagte Lise.
      «Lies dein Buch.»
      «Keine Lust.»
      «Dann schlaf noch ein bisschen.»
      «Geht nicht.»
      Er konnte anscheinend noch schlafen. Gestern war er schon vor Tagesanbruch aufgestanden und hatte sie kalt und allein zurückgelassen, und jetzt, wo sie aufstehen musste, wollte er, dass sie bei ihm blieb. Anscheinend folgten sie nie demselben Zeitplan.
      Er schlief nicht, sondern döste bloß, an ihre Schulter geschmiegt. Der Fleck an der Wand sah aus wie ausgestreckte Finger; sie glitten die Wand runter und hielten dann inne, lösten sich wie durch ein Wunder in Luft auf. Sie hörte die Geschirrspülmaschine nicht mehr und fragte sich, ob sie duschen konnte.
      «Ich stehe auf.»
      «In Ordnung», sagte er müde, ohne zu widersprechen.
      «Also dann.»
      «Ich gehe», schlug er kraftlos vor, eine leere Geste.
      «Nein», sagte sie, «schlaf.»
      Sie schlug die Decke zurück, stand auf, und die Kälte ergriff sie. Im Bad schaltete sie den Heizstrahler ein, hinter dessen Anzeige die Zeituhr tickte. Lise drehte das Wasser auf, wartete, bis es warm wurde, und schloss wegen des spritzenden Wassers und des üblen Geruchs die Glastür.

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