Abtruennig
hatte nicht eine Sekunde den Blick von ihr abgewendet und ich fühlte ihren rasenden Puls, der bis in meine eigenen Adern strömte. Ihr Blut kochte förmlich und der betörende Duft stieg mir unweigerlich in die Nase, trotzdem fiel es mir leichter, als ich dachte. Ich konnte mich tatsächlich ohne größere Probleme beherrschen. Denn auch jetzt sah ich in ihr nicht das Opfer, sondern noch immer die Frau, die ich liebte.
Dann geschah auf einmal etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Selbst in meinen kühnsten Vorstellungen hätte ich es nicht erwartet. Lesley stand plötzlich vom Sofa auf und kam auf mich zu.
Ich hob die Hand. „Was hast du vor?“
„ Ich möchte dich berühren, um glauben zu können, was ich da gerade sehe.“ Obwohl ihre innere Aufgewühltheit förmlich greifbar war, ging sie dennoch weiter. Mit jedem ihrer Schritte, kam die Maus der Katze näher.
Ich ließ meinen Arm sinken und wartete, bis sie vor mir stand. Mit zitternden Bewegungen wollte sie mein Gesicht anfassen, aber anscheinend verließ sie jetzt doch ihr Mut. Sie wich zurück, aber ich hielt ihre Hand abrupt fest. Das war ein zu schneller Reflex meinerseits. Sie hielt sofort die Luft an.
„ Es ist okay…“, ich bemühte mich, meine Stimme so weich wie möglich klingen zu lassen, was in Anbetracht meines Aussehens nicht so einfach war.
Sie entließ lautstark die Luft aus ihren Lungen. Dann hob Liz zaghaft ihren Arm und ihre Finger berührten mich kaum merklich im Gesicht. Sie strich vorsichtig über meine Stirn, die Wange entlang, hinunter bis zu meinen Lippen. Dort verharrten ihre Finger eine kleine Weile. Lesley atmete jetzt schneller und ich wusste, was sie eigentlich vorhatte.
„ Sei vorsichtig, damit du dich nicht schneidest.“ Ich öffnete meinen Mund ein wenig und entblößte die spitzen Eckzähne.
Sie hielt die Luft erneut an, bevor sie einen der Fänge berührte. Ich schaute sie an und ich fürchtete Abscheu oder Entsetzen in ihrem Gesicht zu sehen, aber dem war nicht so.
Liz beobachtete meine Reaktion und zog ihre Hand schließlich wieder zurück. Als sie ausatmete klang es irgendwie befreit. „Wie scharf sind die?“
„ Rasierklingen sind nichts dagegen.“
„ Oh, okay.“ Sie schluckte. „Tut es weh, wenn du dich verwandelst?“
„ Eigentlich nicht. Mein Kiefer schmerzt schon ein wenig, bevor die Zähne durch das Fleisch brechen und sich verformen, aber in der Regel passiert das ja nur, bevor ich auf die Jagd gehe oder ein Kampf bevor steht, dann bin ich zu aufgeregt, und das lenkt ab.“
„ Es klingt zwar irgendwie absurd, aber danke, dass ich es sehen durfte.“
Mir war wohler zumute, als ich mich wieder zurück verwandelte. Das unnatürliche Grün meiner Iris verblasste wieder etwas. Die Schatten verschwanden von meinem Gesicht und die Zähne formten sich zurück, um wieder Teil des stumpfen Gebiss zu werden, das nur allzu menschlich war. Ich wirkte nun, wie zuvor. Ein scheinbar ganz normaler sterblicher junger Mann, der vor seiner Freundin stand.
Wir setzten uns zurück auf das Sofa und schwiegen für eine Weile. Ich war mir sicher, dass sie diese ganze Sache erst einmal verdauen musste. Ich fand es dennoch beachtlich, wie viel sie ertragen konnte, ohne nicht gleich völlig auszuflippen. Irgendwie war ich stolz auf sie.
„ Hast du schon viele Menschen getötet?“, fragte sie dann, nach ein paar Minuten der Stille.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, es ist verboten wahllos zu morden. Das würde zuviel Aufsehen erregen. Wir ernähren uns hauptsächlich von den Gesetzesbrechern.“
„ Von anderen Vampiren?“
„ Und von den Menschen, die eure Regeln nicht einhalten.“
„ Hm, verstehe. Du hast noch nie…?“
Ich lächelte bitter. „Manchmal lässt es sich nicht vermeiden. Wir sind nun mal in gewisser Hinsicht Raubtiere, das ist unabdingbar.“
„ Oh.“ Sie kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. „Ich muss mich aber nicht heute entscheiden, oder?“
„ Du meine Güte, nein!“, antwortete ich etwas zu laut. „Entschuldige, aber ich bin etwas durch den Wind nach dieser ganzen Sache.“
„ Du bist durch den Wind? Was soll ich denn sagen, mein Freund ist ein Vampir. Ich kriege schon bei dem Wort alleine eine Gänsehaut und ich weiß, dass ich vernünftig sein müsste. Und trotzdem kann ich es scheinbar nicht.“
„ Mein Freund?“, hakte ich nach und ein Grinsen huschte über meine Lippen. „Hast du mich gerade, als deinen Freund bezeichnet?“
Sie lächelte fast schon
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