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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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die schon?«, fragte Mena das Zimmer. Es waren Frauen von schlichtem Verstand, die die jüngeren Kinder behandelten wie... nun ja, wie Kinder. Mena hatte schon immer gewusst, dass sie im Grunde ihres Wesens älter war, als sie an Lebensjahren zählte. Sie begriff mehr als sie. Das hatte sie mit ihrem Vater gemeinsam. Sie wusste, dass er alles andere als schwach war. Er war geistig gesund, freundlich und klüger als die meisten Menschen, und er wusste, dass sie kein Kind war, das man hätte herablassend behandeln dürfen. Bisweilen – wenn sie allein waren und ihm der Sinn danach stand – unterhielt er sich mit ihr wie mit einer Erwachsenen. Sie wusste, dass dies etwas Ungewöhnliches war, eine besondere Art von Vertraulichkeit, die sie nur dann miteinander teilten, wenn sie unter sich waren.
    Einmal, als sie zusammen im Baum gesessen waren, hatte er mit offenen, nachdenklichen Worten erklärt, es sei ihm gleichgültig, wenn die Adligen oder die Dienstboten oder wer auch immer ihn für verrückt hielten. Wann war das gewesen? Zu Beginn des letzten Frühjahrs? Anfang Sommer? Er hatte gemeint, in Wahrheit sei die Welt selbst verrückt. Sie sei voller Gehässigkeit, Boshaftigkeit, Gier und Falschheit. Dies seien die Bestandteile der Welt, so wie die Buchstaben in ihren Schreibheften der Schlüssel zu der Sprache seien, derer sie sich bedienten. Er habe einige Zeit gebraucht, um dies zu verstehen, doch jetzt wisse er, dass es wahr sei.
    »In meiner Jugend«, hatte er gesagt, an den Ast unter ihr gelehnt, und hatte mit der Hand über die glatte Holzmaserung gestrichen, »habe ich geglaubt, ich könnte die Welt verändern. Ich habe geglaubt, wenn ich König wäre, würde ich Dekrete und Gesetze erlassen, um das Leiden der Menschen zu mindern. Ich habe nicht geglaubt, ich könnte eine vollkommene Welt erschaffen. Das nicht. Aber ich wollte sie so vollkommen machen, wie ein Mensch sie nur ersinnen kann.«
    Sie fragte ihn, ob ihm das gelungen sei. Ihr Vater musterte sie mit einer schmerzlichen Miene voller Mitleid und Liebe. Es dauerte ein paar Momente, ehe er antworten konnte. Dann dankte er ihr dafür, dass sie gefragt hatte, für die Andeutung, dass sie ihn für einen so großen Mann halte und ihr Leben bislang so glücklich verlaufen sei, dass sie sich dergleichen noch vorstellen könne. Doch nein, er habe seine Jugendträume nicht verwirklicht. Er könne nicht genau sagen, woran das gelegen habe oder wie es gekommen sei, doch all seine hochfliegenden Pläne seien vor seinen Augen zerstoben. Im Rückblick habe er den Eindruck, dass die Worte, mit denen er sie beschrieben habe, nicht dauerhafter seien als eine Atemwolke an einem Wintertag. Er spreche, doch seinen Worten wohne keine dauerhafte Substanz inne. Sie verflüchtigten sich fast im selben Moment, in dem er sie ausspreche. So habe er im Rat gesessen und sich höflichen, geduldigen Gesichtern gegenübergesehen. Er habe sogar den Gouverneuren, die ihm ausnahmslos Treue gelobt hätten, in der großen Kammer von Alecia Reformen vorgeschlagen. Man habe ihn angehört, die Wahrheit seiner Worte anerkannt und seine Weisheit gepriesen. Nach solchen Versammlungen habe er stets das Gefühl gehabt, die Welt werde sich ändern, und doch sei Jahr um Jahr verstrichen, und die Welt sei so geblieben, wie sie immer gewesen sei, kein schönerer Ort, ungerührt von seinen Herzenswünschen. Niemand habe ihm je widersprochen, doch geschehen sei auch nichts. Da habe er erkannt, wie machtlos er in Wahrheit sei. Zwischen ihm und dem Getriebe der Welt stünden zahllose andere Menschen. Jeder behaupte, ihm treu ergeben zu sein, und doch tat keiner, was er ihm sagte. Vielleicht, so räumte er ein, sei das der Grund, weshalb er von seinen ehrgeizigen Zielen abgelassen und Erfüllung in der Liebe zu seiner Frau gefunden habe und in dem Wunder der Kinder, die sie hervorgebracht hatten.
    »Mena, meine kluge Tochter, ich bin nicht so stark, wie du meinst.« Er reckte den Arm nach oben und zupfte sie am Kinn. »Ich konnte die Welt nicht verändern. Ich konnte nicht verhindern, dass andere Menschen in meinem Namen Verbrechen – schreckliche Verbrechen – begehen. Ich konnte nicht verhindern, dass deine Mutter von uns ging. Aber ich liebe meine Kinder. Ihr seid jetzt mein Werk, ihr alle vier. Ich dachte mir: ›Warum nicht im eigenen Haus die Welt aufbauen, die ich mir gewünscht habe?‹ Wenn es mir gelingt, euch im Glück aufwachsen zu lassen, wie es in der Welt nicht üblich ist, habe ich etwas

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