Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
untersuchen. Dabei handelt es sich um eine Verallgemeinerung. Oft werden Prognosen nämlich in der Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen gemacht. Eine Hypothese (oder Theorie) mag prognostizieren, dass ein Ereignis mit 30 %iger Wahrscheinlichkeit eintritt, während eine konkurrierende Hypothese (oder Theorie) vorhersagt, dass dasselbe Ereignis mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % eintritt. Das Eintreten oder Nichteintreten des prognostizierten Ereignisses würde unseren Glauben sowohl an die eine als auch an die andere Hypothese (oder Theorie) verändern. Aber wie? Und wie kann man dies auf eine quantitativ präzise Grundlage stellen?
Das Theorem von Bayes aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung bietet einen formalen Rahmen, in dem die Plausibilität einer Aussage zahlenmäßig erfasst und im Licht neuer Ereignisse verändertwerden kann. Um zu verstehen, wie das geschieht, müssen wir uns ein wenig mit Wahrscheinlichkeiten vertraut machen.
Wahrscheinlichkeiten sind allgegenwärtig. Oft sind wir an den Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen
A
interessiert (etwa dass es morgen regnet). Manchmal wissen wir bereits, dass andere Ereignisse
B
eingetreten sind (etwa dass heute ein regnerischer Tag war), die möglicherweise für das Eintreten von
A
relevant sind, indem sie das Ereignis
A
wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher machen. Mit anderen Worten, wir wissen bereits, dass bei einem zufallsbehafteten Vorgang ein Ereignis
B
eingetreten ist, und interessieren uns für die Wahrscheinlichkeit, dass außerdem auch das Ereignis
A
eingetreten ist oder eintreten wird. Diese Wahrscheinlichkeit nennen wir die
bedingte
Wahrscheinlichkeit von
A
gegeben (oder unter der Voraussetzung)
B
. Sie wird als
P
(
A/B
) geschrieben.
Wenn beispielsweise aus einer Menge von 100 Produktionsstücken 20 als Stichprobe rein zufällig ausgewählt werden und sich in dieser Teilmenge 15 defekte Stücke befinden, könnte man sich für die Wahrscheinlichkeit interessieren, dass insgesamt mehr als die Hälfte der 100 Produktionsstücke defekt sind. Hier ist
A
das Ereignis, dass insgesamt mehr als 50 Produktionsstücke defekt sind, und
B
ist das Ereignis, dass mindestens 15 Produktionsstücke defekt sind. Wir wissen,
B
ist eingetreten – denn das hat ja die Stichprobe ergeben –, und fragen nach der Wahrscheinlichkeit von
A
.
Diese Frage kann man sofort verallgemeinern. Wie lässt sich ganz generell die Wahrscheinlichkeit von
A
gegeben
B
ermitteln? Da das Ereignis
B
eingetreten ist, muss es entweder zusammen mit
A
eintreten (dann ist das Verbundereignis
A
A
eingetreten) oder
B
wird mit dem Gegenteilvon
A
eintreten (dann ist
B
eingetreten). Es ist deshalb naheliegend im Sinne der Häufigkeitsinterpretation der Wahrscheinlichkeit, die bedingte Wahrscheinlichkeit
P
(
A/B
) als jenen Anteil der Wiederholungen des Zufallsvorgangs zu betrachten, in denen
A
und
B
gemeinsam eintreten, relativ zum Anteil der Wiederholungen, in denen
B
gemeinsam mit
A
oder gemeinsam miteintritt, d.h.
Da aber das Ereignis
A
B
vereinigt mit dem Ereignis
B
gerade das Ereignis
B
bildet und somit
P
(
A
B
) +
P
(
B
) =
P
(
B
) gilt, haben wir
sowie bei durchgehender Vertauschung von
A
und
B
auch diese Variante
Der letzte Ausdruck ist die bedingte Wahrscheinlichkeit von
B
gegeben
A
. Das ist ein großer didaktischer Raumgewinn. Da ja das Ereignis
A
B
dasselbe ist wie das Ereignis,
B
A
, nämlich das Zusammeneintreten der beiden Ereignisse
A
und
B
bezeichnet, erhält man aus den letztgenannten Formeln sofort die Beziehung
beziehungsweise
Das Theorem des anglikanischen Bischofs.
Die Gleichung (5) ist das berühmte Theorem von Thomas Bayes.[ 10 ] Im Grunde ist es eine mathematische Trivialität, doch erweist es sich als extrem nützlich. Es beschreibt den Zusammenhang, der zwischen einfachen unbedingten und bedingten Wahrscheinlichkeiten besteht, und stellt eine Beziehung zwischen den unterschiedlichen Wirklichkeiten her, die durch
A/B
und
B/A
ausgedrückt werden. Es ist ja nicht dasselbe, ob wir ins Theater gehen, wenn es regnet, oder ob es regnet, wenn wir ins Theater gehen.
Um das Bayes’sche Theorem in Aktion zu erleben, greifen wir einmal ein Beispiel aus dem richtigen Leben heraus, eine Standardsituation für Urologen weltweit. Die Daten sind zwecks glatterRechnung ein wenig gerundet. Der prinzipielle Effekt bleibt davon aber unberührt.
Aus statistischen Erhebungen sei bekannt, dass 1 % aller 60-jährigen Männer, die an routinemäßigen Vorsorgeuntersuchungen
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