Acornas Welt
wieder übernehmen, Kapitän. Aari schläft noch.«
»Hör auf, mich so zu erschrecken. Trample ein bisschen herum, wenn du das nächste Mal hereinkommst, ja? Wie geht es Aari denn? Du hast ihn ziemlich gern, wie?«, fragte Becker.
Acorna errötete. »Kapitän, auf Narhii-Vhiliinyar tragen die Leute Schilde auf ihren Hörnern, und sie tun das zum Teil, um solche Fragen zu vermeiden. Er scheint jetzt friedlich zu schlafen. Ich weiß nicht, ob ›Gernhaben‹ der richtige Ausdruck für meine Gefühle für ihn ist. Es stimmt, ich interessiere mich sehr für Aari, und ich möchte ihm genauso helfen wie du.«
»Ja, aber ich bin nicht sein Typ«, gab Becker zurück und fuhr mit der Hand durch sein grau meliertes schwarzes Haar. »Ich gebe zu, so langsam kriege ich auch eine Silbermähne. Aber ich bin kein Mädchen.« Er grinste Acorna an. Dann ging ihm ein Gedanke durch den Kopf, von dem er hoffte, dass Acorna ihn nicht las. Aari mochte doch Mädchen, oder? Becker nahm an, dass das so war. Aber er hatte natürlich keine Beweise dafür. Der Bursche war, seit Becker ihn kennen gelernt hatte, nicht unbedingt in der Verfassung gewesen, um jemanden werben zu können, und er hatte auch keine früheren Lieben erwähnt – was alles durchaus natürlich war, wenn man bedachte, was Aari durchgemacht hatte und wie allein er den größten Teil seines Lebens gewesen war. Andererseits behandelte Aari Acorna stets wie ein Bruder, obwohl Becker hin und wieder bemerkte, dass er sie beobachtete, manchmal lächelnd, manchmal mit besorgter, beunruhigter Miene. Wenn Aari dann bemerkte, dass Becker seinerseits ihn beobachtete, wandte er rasch den Blick ab. Und Acorna war sich Aaris Interesse wahrscheinlich nicht bewusst – wenn es denn Interesse war. Der junge Mann beobachtete sie immer nur dann, wenn Acorna gerade mit etwas anderem beschäftigt war.
Noch während Becker über seine Schiffskameraden nachdachte, hörte er Acorna tief seufzen.
»Ich weiß nicht, Prinzessin, du solltest mir vielleicht einfach sagen, dass ich mich da raushalten soll«, meinte Becker, der ungern sah, wie sich ihre hübschen Augen verdunkelten.
»Oh nein, Kapitän, ich würde deinen Rat wirklich zu schätzen wissen. Meine Tante hatte geplant, dass ich auf Narhii-Vhiliinyar einen Lebensgefährten finden sollte, aber ich habe – vielleicht, weil die meisten Raumfahrer den Planeten schon bald wieder verlassen haben – niemanden kennen gelernt, den ich mochte, bevor du mit Aari angekommen bist.«
»Magst du ihn wirklich, oder tut er dir nur Leid?«, wollte Becker wissen. Warum empfand er nur so väterliche Gefühle für diese hinreißende junge Frau – nun gut, hinreißende, nichtmenschliche junge Frau –, die größer war als er, vermutlich auch klüger als er und im Besitz einer Reihe recht beunruhigender Kräfte, die ihr Geburtsrecht waren, und die auch Aaris gewesen waren, bevor man ihm zumindest einige davon mit Gewalt genommen hatte. »Du musst mir darauf keine Antwort geben.«
Acorna lächelte und tätschelte ihm die Hand. »Ich weiß doch, dass du das nur fragst, weil du willst, dass ich glücklich werde, Kapitän. Du bist meinen Onkeln so ähnlich…«
»Selbstverständlich sehe ich viel besser aus als die«, erklärte Becker und schnaubte in seinen Schnurrbart. »Viel besser als Baird.«
Acorna kicherte. »So was sagen sie auch dauernd übereinander. Ich weiß nicht, wonach ich Ausschau halten soll, um ehrlich zu sein, habe ich so etwas noch nie gemacht. Ich bin hier, weil ich hier sein möchte und weil ich der Ansicht bin, dass es an der Zeit war, mich von den beiden Orten, die ich als mein Zuhause betrachte, zumindest eine Weile zu entfernen. Ich mag Aari. Vielleicht sorge ich mich um ihn, wie eine Heilerin sich um ihren Patienten sorgt, aber es ist auch mehr als das. Ich habe noch nie entschieden, nach der eigentlichen Heilung, die ich leisten konnte, noch zu bleiben.
Etwas in ihm spricht mich an. Vielleicht wird er ein Freund aus meinem eigenen Volk sein, jemand, der mir im Alter näher steht als Großmama oder Maati. Vielleicht hat es auch mit Maati zu tun, die seine Schwester ist und mir beinahe wie meine eigene kleine Schwester vorkommt, und ich denke, ich bin an ihrer Stelle hier…«
Sie sahen einander in die Augen. Becker erkannte, wie verstört Acorna war, und das tat ihm weh. Er hatte sich in all diesen Jahren hin und wieder verliebt, doch keine dieser Frauen hatte lange auf einem Bergungsschiff leben wollen, obwohl einige kein
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