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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Zunge und zermahlte langsam das mehlige Fruchtfleisch.
    Zum ersten Mal hatte er explizit von einer gemeinsamen Zukunft gesprochen, von einer kleinen Wohnung, ja, er hatte sich sogar schon etwas angesehen. Dany wollte wieder erwähnen, dass sie die Pille abgesetzt hatte, aber irgendetwas hatte sie im letzten Moment zurückgehalten. Jetzt gilt es, nur noch ein wenig Geduld zu beweisen, hatte er gesagt, hab ein bisschen Vertrauen, sie hatte einen Zauber gespürt, den sie durch nichts zerstören wollte. Sie hörte Schritte im Korridor und schreckte hoch. Seine Anweisungen waren unmissverständlich gewesen. Sie ging um den Schreibtischherum und zog die oberste Lade auf. Doch da lag das Foto nicht. Das Bild, das er am Lido von ihr gemacht hatte, in einem Bikini, dessen Spaghettiträger wie zufällig von der Schulter gerutscht war. Im Hintergrund der Fluss, der an diesem Tag smaragdgrün leuchtete, der weiße Sand mit den bizarren Wurzeln, die das letzte Hochwasser freigelegt hatte. Er hatte ihr das Bild erst vor wenigen Tagen zurückgegeben, aber jetzt war es verschwunden. Sie durchwühlte die Papiere, öffnete die zweite Lade. Hier lag es. Obenauf, wie erwartet. Sie hatte sich nur in der Schublade geirrt.
    Da ging die Tür auf, ein Windstoß zupfte an ihrem Haar und ließ die Jalousie gegen den Fensterrahmen krachen. Ein blonder Mann stand auf der Schwelle.
    »Entschuldigen Sie«, sagte der Gast und taxierte dabei den engen Raum. Zwei Schreibtische, mit den Längsseiten aneinandergerückt, so dass sie ein großes, von zwei Computern, Papierstapeln, Aktenordnern und Krimskrams bedecktes Quadrat auf Metallbeinen bildeten. Alles ein bisschen schäbig und provisorisch. Zwei Stühle betrachteten einander, über das Chaos hinweg.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte Dany und spürte, wie er den Edelstein auf ihrem Schneidezahn betrachtete.
    »Ich suche Herrn Di Natale.«
    »Hatten Sie einen Termin?«
    »Ja. Sind Sie seine Sekretärin? Ihr Name steht nicht an der Tür.«
    »Ich arbeite nur Teilzeit.«
    Sie ging zurück auf ihren Platz und versuchte, das Foto unauffällig verschwinden zu lassen.
    »Wo ist Herr Di Natale?«, setzte der Mann neu an. Er sprach mit einem Akzent und hatte eine Schramme am Kopf. Aber Dany fand, dass er gar nicht schlecht aussah, mit seiner geradenNase und den fein geschwungenen Lippen, die zu seinen breiten Schultern einen interessanten Kontrast bildeten.
    »Noch nicht da. Worum geht es?«
    »Mein Name ist Gerd Schremmling, vom Schifffahrtsamt Köln. Ich hatte mit Herrn Di Natale einen Termin. Er wollte mir die neuen Brückenprojekte zeigen.«
    Dany amüsierte sich. Hätte sie nicht das Bild von Kaspar Lunau gesehen, dann wäre sie auf die Lüge sicher hereingefallen, so beiläufig, wie Lunau sie vorgetragen hatte.
    »Er wird sicher bald kommen.«
    Lunau nickte.
    »Kann ich so lange hier auf ihn warten?« Dany nickte, obwohl ihr die Anwesenheit des Mannes unangenehm war. Sie spürte, wie ihre Finger in ihrem Rücken feucht wurden. Der Mann betrachtete ihre dünnen Arme und die Tätowierung an ihrem Schlüsselbein. Er lächelte.
    »Ja, dann kümmere ich mich mal wieder um meine Arbeit.«
    Sie fuhr den Rechner hoch, zog eine Schublade auf und warf das Foto hinein. Als sie aufsah, kreuzte sich ihr Blick mit dem seinen. Er hatte jede ihrer Bewegungen beobachtet. Sie hoffte nur, dass er das Motiv auf dem Foto nicht gesehen hatte.
    »Merkwürdig. Ich kenne ihn als ausgesprochen pünktlichen Menschen«, sagte Lunau.
    Dany hatte nur auf den Bildschirm gestarrt. Sie fand die Situation nicht mehr amüsant.
    »Um wie viel Uhr kommt er denn für gewöhnlich?«
    Sie schaute auf. »Bitte? So um neun.«
    »Haben Sie eine Idee, warum er sich verspätet haben könnte? Wir waren nämlich schon vor einer Stunde unten in der Bar verabredet. Er sagte, er frühstücke dort, ich sollte zu ihm stoßen und dann mit hoch in sein Büro kommen.«
    »Er wird schon kommen.«
    »Auf seinem Handy meldet er sich nicht.«
    Dany ließ die Hände in den Schoß sinken. Aber der Mann gab keine Ruhe: »Hat er vielleicht noch ein zweites Handy?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein?«
    Dany fing an, sich über sich selbst zu ärgern. Warum schaffte sie es nicht, den Kerl einfach rauszuwerfen? Er hatte sich mit einer Lüge Zutritt zu ihrem Büro verschafft, er war unhöflich, er hielt sie von der Arbeit ab. Doch genau das war Danys Problem. In Gegenwart anderer Menschen vergaß sie, dass sie einen eigenen Willen hatte. Und wenn sie ihn

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