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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Schlüssel nicht in der Schreibtischschublade liegenlassen. Ihr wißt doch, wie genau er es immer mit den Sicherheitsvorkehrungen genommen hat. Die Schlüssel waren nur dann in der Schublade, wenn er an seinem Schreibtisch saß. Selbst wenn er das Büro nur für kurze Zeit verließ, zog er sein Jackett über und steckte den Schlüsselbund wieder in die Tasche. Wir haben das doch alle oft genug mit angesehen.«
    »Die Tatsache, daß er im Archiv gefunden wurde, beweist noch nicht unbedingt, daß er auch dort gestorben ist«, gab de Witt zu bedenken.
    Claudia setzte sich ihm gegenüber und beugte sich weit über den Tisch. »Du meinst, es hätte auch unten in seinem Büro passiert sein können?«
    »Ja sicher, egal, ob er nun eines natürlichen Todes gestorben ist oder ob er ermordet wurde. Er hätte ja durchaus, wie Frances eben meinte, am Schreibtisch einen Schlag kriegen oder einen Infarkt erleiden können. In einem wie im anderen Fall wäre es denkbar, daß man die Leiche später nach oben geschafft hat.«
    »Aber dazu müßte einer schon sehr viel Kraft gehabt haben.«
    »Nicht, wenn er einen unserer Bücherwagen benutzt und den Leichnam im Lift transportiert hat. Und es steht ja fast immer ein freier Wagen beim Aufzug.«
    »Aber die Polizei kann doch bestimmt feststellen, ob ein Toter nachträglich bewegt worden ist.«
    »Im Freien sicher, ja. Da finden sich Spuren von Erdreich, abgerissene Zweige, niedergetretenes Gras, Schleifspuren. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es bei einer Leiche, die in einem geschlossenen Raum gefunden wird, auch so leicht geht. Die Möglichkeit ziehen die aber sicher sowieso in Betracht. Früher oder später werden sie sich wohl dazu herablassen, uns was über ihre Erkenntnisse mitzuteilen. Bis jetzt nehmen sie sich ja wirklich reichlich Zeit da oben.«
    Die beiden unterhielten sich so ungezwungen, als ob sie allein im Raum wären. Plötzlich fuhr Frances dazwischen: »Müßt ihr denn so reden, als ob Gerards Tod eine Art Puzzlespiel wäre, eine Kriminalgeschichte, die wir gelesen, oder ein Reißer, den wir im Fernsehen angeschaut haben? Wir sprechen doch hier über Gerard und nicht über einen x-beliebigen Fremden, irgendeine Figur aus einem Stück womöglich. Gerard ist tot. Er liegt oben mit dieser garstigen Schlange um den Hals, und wir sitzen hier, als ob uns das gar nichts anginge.«
    Claudia maß sie mit grüblerischem Blick, in dem auch eine Spur Verachtung mitschwang. »Was erwartest du denn von uns? Daß wir andächtig schweigend dasitzen? Ein gutes Buch lesen? Oder George fragen, ob die Zeitungen schon gekommen sind? Ich finde, Reden hilft. Er war mein Bruder. Wenn ich mich halbwegs zusammenreißen kann, dann kannst du es auch. Du hast zwar, zumindest vorübergehend, sein Bett mit ihm geteilt, aber doch nie sein Leben.«
    »Hast du das denn etwa getan, Claudia?« fragte de Witt ruhig. »Oder irgendeiner von uns?«
    »Nein, aber wenn ich wirklich begreife, daß er tot ist, wenn ich glauben kann, was da passiert ist, dann werde ich auch um ihn trauern, keine Angst. Ja, ich werde um ihn trauern, aber noch nicht, nicht hier und nicht jetzt.«
    Gabriel Dauntsey hatte die ganze Zeit abseits gesessen und auf die Themse hinausgeblickt. Jetzt ergriff er zum erstenmal das Wort, und die anderen wandten sich so verdutzt nach ihm um, als erinnerten sie sich erst jetzt wieder seiner Gegenwart.
    »Ich denke«, sagte Gabriel ruhig, »er könnte an Kohlenmonoxydvergiftung gestorben sein. Seine Haut war unnatürlich rosig – offenbar ist das eins der typischen Anzeichen –, und es war unheimlich warm im Zimmer. Ist dir das nicht aufgefallen, Claudia, wie warm es oben war?«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann sagte Claudia: »Außer, daß ich Gerard und diese Schlange gesehen habe, ist mir nur sehr wenig aufgefallen. Meinst du etwa, er könnte vergast worden sein?«
    »Ja, genau das will ich damit sagen.«
    Vergast. Wie ein eisiger Lufthauch wehte das Wort durch den Raum. »Aber ist dieses neue Nordseegas denn nicht ganz harmlos?« fragte Frances. »Ich dachte, die Zeiten, wo man den Kopf in den Gasherd stecken und sich vergiften konnte, seien endgültig vorbei.«
    »Für die Atemwege ist es an sich nicht giftig, das stimmt«, erklärte de Witt. »Überhaupt ist es völlig harmlos, wenn man sachgerecht damit umgeht. Aber angenommen, Gerard hat den Gasofen angezündet, ohne daß der Raum genügend Sauerstoffzufuhr hatte, dann hätte der Ofen nicht richtig funktioniert, und es wäre

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