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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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gegenüber, dass ich
die Familie gekannt hatte. Ich fühle mich nicht im Mindesten
verantwortlich für ihren Tod. Ich war es ja auch nicht. Ich empfand ein
wenig Scham und Bedauern, dass ich mich nicht bemüht hatte, weiter in
Kontakt zu bleiben, aber das ging vorbei. Selbst nachdem ich nach Hause
zurückgekehrt war, setzte sich die Polizei nicht mit mir in Verbindung,
um mich zu befragen. Weshalb auch? Shirley hatte gestanden, und die
Beweislage war mehr als eindeutig. Die einzige Erklärung, die sie
äußerte, war, dass sie Lucy umgebracht habe, weil ihre Schwester zu
hübsch gewesen sei.«
    Sie ließen das auf sich wirken. Dann fragte Dalgliesh: »Wann
hat Shirley Beale Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«
    »Ich erhielt am 30. November einen Brief von ihr. Offenbar
hatte sie eine Fernsehsendung über höhere Schulbildung gesehen, in der
ich aufgetreten war. Sie erkannte mich und schrieb sich den Namen der
Schule auf, an der ich arbeitete – und immer noch arbeite. In
dem Brief stand nur, dass sie sich an mich erinnerte, mich immer noch
liebte und mich sehen müsste. Sie schrieb, sie arbeite auf Cheverell
Manor und wie ich dort hinkäme. Sie wollte sich dort mit mir treffen.
Ich war fassungslos, hatte keine Ahnung, weshalb sie schrieb, sie liebe
mich immer noch. Sie hatte mich nie geliebt oder auch nur das kleinste
Anzeichen von Zuneigung für mich gezeigt, und das galt umgekehrt
genauso. Ich handelte feige und unklug. Ich verbrannte den Brief und
versuchte zu vergessen, dass ich ihn je gesehen hatte. Das war
natürlich völlig sinnlos. Zehn Tage später kam der nächste Brief.
Diesmal war es eine Drohung. Sie müsse mich sehen und wenn ich mich
weigern sollte, hätte sie jemanden, der der Welt berichten würde, wie
ich sie zurückgestoßen habe. Ich weiß immer noch nicht, was die beste
Reaktion darauf gewesen wäre. Wahrscheinlich hätte ich es meiner Frau
sagen, die Polizei informieren sollen. Aber hätte ich sie von dem
wahren Charakter meiner Beziehung zu Lucy oder Shirley überzeugen
können? Deshalb beschloss ich, mich erst einmal mit ihr zu treffen, um
ihr diese Hirngespinste auszureden. Sie wollte mich um Mitternacht auf
dem Parkplatz am Straßenrand in der Nähe der Cheverell-Steine treffen.
Sie hat mir sogar einen sorgfältig gezeichneten Lageplan geschickt. Am
Schluss hieß es: ›Es ist wunderbar, dich gefunden zu haben. Wir dürfen
einander nie mehr loslassen.‹«
    Dalgliesh fragte: »Haben Sie den Brief noch?«
    »Nein. Das war meine nächste Dummheit. Ich habe ihn
mitgenommen und ihn am Parkplatz bei den Steinen mit dem
Zigarettenanzünder verbrannt. Wahrscheinlich wollte ich die Augen vor
der Wahrheit verschließen, seit ich ihren ersten Brief bekommen hatte.«
    »Haben Sie sich dann mit ihr getroffen?«
    »Ja, und zwar bei dem Steinkreis, wie sie geplant hatte. Ich
habe sie nicht einmal berührt, um ihr die Hand zu geben, und sie schien
das auch nicht zu erwarten. Ich fühlte mich abgestoßen. Ich schlug ihr
vor, zurück zum Auto zu gehen, dort sei es gemütlicher. Wir saßen
nebeneinander. Sie behauptete, mich schon geliebt zu haben, als ich in
Lucy vernarrt war – dieses Wort hat sie gebraucht. Sie habe
Lucy aus Eifersucht getötet, aber nun habe sie ihre Strafe abgesessen.
Das bedeute, sie sei frei, mich zu lieben. Sie wolle mich heiraten und
Kinder von mir bekommen. Sie äußerte das alles sehr ruhig, beinahe
emotionslos, aber ihre Entschlossenheit war durchzuhören. Sie schaute
unverwandt nach vorne, ich glaube, sie sah mich gar nicht an, während
sie sprach. So sanft wie möglich erklärte ich ihr, dass ich verheiratet
bin, ein Kind habe und nie etwas zwischen uns sein kann. Ich hätte ihr
doch nicht einmal meine Freundschaft anbieten können. Mein einziger
Wunsch war es, sie nie mehr wiederzusehen. Es war eine völlig absurde,
entsetzliche Situation. Als ich ihr von meiner Frau erzählte, sagte
sie, das sei kein Hinderungsgrund. Ich könne mich scheiden lassen, wir
würden ein gemeinsames Kind haben, und sie würde sich um meinen Sohn
kümmern.«
    Er hatte mit gesenktem Blick erzählt, die Hände auf dem Tisch
ineinander verklammert. Als er nun den Kopf hob, sahen Dalgliesh und
Kate das Entsetzen und die Verzweiflung in seinen Augen.
    »Sie wollte sich um mein Kind kümmern! Allein der Gedanke, sie
in der Nähe meiner Familie zu haben, war unerträglich. Wahrscheinlich
hat auch hier mein Einfühlungsvermögen versagt. Ich hätte ihre Not
spüren müssen, aber ich war einfach nur entsetzt

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